Was die „Bombe“ über die FPÖ verrät

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ANALYSE. Besser könnten die Rahmenbedingungen für die Partei kaum sein. Es lässt tief blicken, dass sie nichts daraus machen kann: Sie steckt in ihrer größten Krise seit Jahrzehnten.

Von der Papierform her wäre die Großwetterlage für die FPÖ ja sehr gut: In weiten Teilen der Gesellschaft wächst die Unzufriedenheit über Entwicklungen, die direkt wie indirekt in einem Zusammenhang mit der Pandemie stehen und damit einhergehend auch mit der Regierung; die ÖVP, ihr wichtigster Mitbewerber, befindet sich in einem schwarzen Jahr, wie der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier findet.

Was die FPÖ daraus macht und wie sie dasteht, das verrät jedoch viel über ihren Zustand. Um bei der ÖVP anzuknüpfen: Norbert Hofer und Co. haben zuletzt abgelenkt davon, als würden sie ihrem ehemaligen Koalitionspartner nicht zu sehr schaden wollen. Sie haben angekündigt, eine „Bombe“ platzen zu lassen, daraus geworden ist jedoch etwas, das kaum jemand wahrgenommen hat. Zwar zur Ibiza-Affäre im weitesten Sinne, aber nicht zu Kurz oder Blümel, sondern zu Bundespräsident Alexander Van der Bellen; nämlich eine Spekulation darüber, ob er schon vor Veröffentlichung des Ibiza-Videos etwas davon gewusst haben könnte.

Das ist ungefähr so nah am gegenwärtigen Thema der österreichischen Innenpolitik wie die Forderung der burgenländischen SPÖ, einen Zuwanderungsstopp auszurufen. Es kann allenfalls nur als Frühstart in den Bundespräsidenten-Wahlkampf 2022 interpretiert werden, für den sich Hofer ja als möglicher Kandidat sieht.

An Hofer lässt sich der Niedergang der FPÖ besonders gut festmachen. 2016, als es beinahe in die Hofburg schaffte, waren ÖVP und SPÖ summa summarum noch schlechter beisammen. Vor allem aber profitierte er von der Flüchtlingspolitikkrise und der bekannten Haltung, die er und seine Parteifreunde seit Jahren zu Asyl und Migration einnehmen.

Ob Hofer heute wieder so viel daraus machen könnte, ist fraglich. Darüber zu spekulieren, ist jedoch müßig. Wichtiger ist es, darauf zu schauen, wie es Kurz gelungen ist, Freiheitliche zu neutralisieren und vor allem, wie wenig es ihnen gelingt, wieder auf die Beine zu kommen; das lässt tiefer blicken.

Sebastian Kurz hat sich nicht nur das Flüchtlingsthema einverleibt. Er steht unter anderem auch für Grenzen und Europakritisches sowie etwas betont Österreichisches. Im Unterschied zu Freiheitlichen in ihren besten Zeiten spricht er damit sowohl den „kleinen“ alo auch den weniger „kleinen Mann“ an. Ein Beispiel: Bei der Nationalratswahl 2019 kam die ÖVP unter seiner Führung laut Sozialforschungsinstitut SORA bei Akademikern auf immerhin 30 Prozent. Vergleichbares ist der FPÖ nie gelungen; selbst in guten Wahljahren, wie 2017, ist sie in dieser Gruppe einstellig geblieben (mit damals nur sieben Prozent).

Auf der anderen Seite gelingt es der FPÖ heute eben nicht einmal mehr, ansprachebare Wähler anzusprechen: Laut Corona-Blog der Uni Wien fanden im Jänner immerhin 36 Prozent der befragten Menschen in Österreich, dass Maßnahmen der Bundesregierung „eher zu stark“ oder „zu extrem“ seien. Die Arbeitslosigkeit und darunter wiederum die Langzeitarbeitslosigkeit ist für hiesige Verhältnisse sehr, sehr hoch. Immobilienpreise steigen dagegen noch stärker als bisher, sodass Eigentum für immer mehr Menschen hoffnungslos bzw. unerschwinglich wird. All das ist dazu angetan, Frustration wachsen zu lassen.

Die FPÖ versucht, hier Angebote zu schaffen. Zum Beispiel mit ihrem Bekenntnis zu Corona-Demonstrationen. In diesem Zusammenhang steht sie jedoch in einer Ecke mit Leugnern und Leuten wie Küssel, der regelmäßig an solchen Kundgebungen teilnimmt. Man könnte jetzt darüber streiten, ob sie sich eher in diese Ecke drängen lässt oder ob es ihr nicht gelingt, darüber hinaus zu wirken. Die Antwort ist belanglos. Das Ergebnis ist, dass sie außerhalb von Burschenschaften und Kreisen, die von Verschwörungstheoretikern gebildet werden, kaum jemanden anzusprechen vermag und trotz aller Umstände deutlich unter 20 Prozent bleibt; das hat schon auch mit eigenen Unzulänglichkeiten zu tun.

Die Freiheitliche Partei steckt wohl in ihrer größten Krise seit Jahrzehnten: Nach dem Wahldebakel 2002 konnte sie sich zumindest wieder in die Regierung retten. Und nach dem Abschied von Jörg Haider bzw. der Abspaltung namens BZÖ 2005 stand immerhin Heinz-Christian Strache bereit, um sie umgehend wieder von Wahlerfolg zu Wahlerfolg zu führen. Heute ist sie in Opposition und ohne Chef, der erfolgversprechend für sie wirkt.

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