ANALYSE. Mikl-Leitner und Sebastian Kurz treiben Werner Faymann und Co. in eine ausweglose Situation.
Ganz Österreich rätselt: Was bringt Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dazu, nicht nur Zeltstädte für Flüchtlinge errichten zu lassen, sondern auch noch Asylverfahren zu stoppen? Und was motiviert Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), Zuwanderern Sozialleistungen streichen zu wollen? „Sie wollen die Freiheitlichen rechts überholen“, lautet die gängigste Antwort. Als Erklärung reicht das jedoch nie und nimmer aus.
Will die Innenministerin nach außen hin demonstrieren, dass die Aufnahmefähigkeit des Landes erschöpft ist? Will sie andere Mitgliedsländer der Europäischen Union unter Druck setzen, mehr Flüchtlinge aufzunehmen? Gut möglich, dass das ihre Absicht ist. Sehr wahrscheinlich ist es allerdings nicht: Denn dann würde sie ihr Vorgehen wohl regierungsintern bzw. mit dem Koalitionspartner abstimmen. Und das hat Johanna Mikl-Leitner nicht getan.
Will Integrationsminister Kurz Sozialmissbrauch bekämpfen? Hier gilt dasselbe: Würde es ihm um eine Lösung gehen, würde er sich zunächst wohl einmal mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) zusammensetzen. Doch darauf hat er ganz offensichtlich verzichtet. Hundstorfer gibt sich jedenfalls überrascht.
Schon eher zutreffend ist wohl ein böse Absicht: Umfragen zeigen, dass sehr viele Österreicher allem Fremden gegenüber eher ablehnend gegenüberstehen. Und dass die Flüchtlingsströme diese Haltung noch verstärken. Die Wahlerfolge der Freiheitlichen untermauern dies. Also reagieren Mikl-Leitner und Sebastian Kurz entsprechend: Sie gibt sich gegen Asylwerber hart, er unterstellt Zuwanderern mehr oder weniger deutlich, „unser“ Sozialsystem zu missbrauchen.
Zum Erfolg wird das jedoch nicht gereichen, sind sich Meinungsforscher und Politologen einig: Die beiden ÖVP-Regierungsmitglieder geben bestenfalls den Schmiedl. Doch die Wähler, die darauf ansprechen, zieht’s noch immer zum Schmied, Heinz-Christian Straches FPÖ also.
Schlüssiger ist die Erklärung, Mikl-Leitner und Sebastian Kurz wollten einen Beitrag dazu leisten, die Sozialdemokraten aus der Regierung zu mobben. Kurz tut ja ganz nebenbei so, als hätte Hundstorfer das Sozialsystem nicht unter Kontrolle. Und Mikl-Leitner demonstriert fast schon täglich die Ohnmacht von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann: „Weg mit den Zelten“, hatte dieser gefordert. Passiert ist: nichts.
Gerade nach dem Unmut über Rotblau im Burgenland ist Faymann gezwungen, sich erstens zu profilieren und zweitens einen noch deutlicheren Gegenpol zu freiheitlicher Politik zu bilden. Da kann er sich von Mikl-Leitner nicht ewig pflanzen lassen. Sondern muss reagieren – und wenn nötig das Äußerste tun, was ihm möglich ist: die Zusammenarbeit aufkündigen. Auch wenn dies einen fliegenden Wechsel zu Schwarzblau, Neuwahlen und/oder die Opposition für die eigene Partei zur Folge hätte.