Warum Kickl eher nicht Kanzler wird

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ANALYSE. Dem FPÖ-Obmann machen es bedeutende Teile von ÖVP und SPÖ, aber auch Prüfungen schwer, die vor einer Nationalratswahl anstehen.

In gewisser Weise könnte der Eindruck entstehen, Herbert Kickl sei eine Belastung für die FPÖ: Bei einer Erhebung, die das Meinungsforschungsinstitut OGM vor dem Sommer im Auftrag der Austria Presseagentur APA für den sogenannten Vertrauensindex durchführte, gaben ganze 70 Prozent der Befragten an, ihm kein Vertrauen zu schenken. Nur 27 Prozent erklärten, es zu tun. Das sind eher weniger als der Partei momentan in Sonntagsfragen ausgewiesen werden.

Zieht Kickl die FPÖ nach unten? Das zu behaupten, wäre natürlich verfehlt. Zumal der Zuspruch für ihn und die Partei zu einem erheblichen Teil nicht darauf beruhen dürfte, dass sie gewollt werden, sondern darauf, dass sie sich als Absage an die Politik im Allgemeinen und (sogar ausdrücklich) eine „Elite“ im Besonderen anbieten. Oder dass durch sie ein Zeichen des Protests gegen Coronamaßnahmen wie den Lockdown für Ungeimpfte gesetzt werden kann. Weil ja nur sie klar und unmissverständlich gegen solche Maßnahmen waren, die nicht wenige noch immer nicht vergessen haben, wie man heuer bei der Landtagswahl in Niederösterreich gesehen hat. Das FPÖ-Wahlmotiv „Einfach nur abrechnen mit den Regierenden und allen Oppositionsparteien, die sich nicht klar gegen diese stellen“, sollte nicht unterschätzt werden.

Vor einem ähnlichen Hintergrund, aber in Verbindung mit einem anderen Thema (Flüchtlingskrise) kam vor sieben Jahren Norbert Hofer in der ersten Runde der Bundespräsidenten-Wahl klar auf Platz eins. Das Ergebnis ist bekannt: Bei den folgenden Stichwahlen wurde Hofer nicht mehr nur als Möglichkeit gesehen, eine Proteststimme abzugeben, sondern als mögliches Staatsoberhaupt. Als Staatsoberhaupt noch dazu, das zwischendurch mit einem Öxit liebäugelte und sinngemäß erklärte, man werde sich noch wundern, was er alles tun werde, wenn er an der Macht ist. Das wirkte bedrohlich und ging einer Mehrheit zu weit. Sie verhalf Alexander Van der Bellen zum Präsidentenamt. Ohne einen solchen Gegenkandidaten wäre er möglicherweise nie dazu gekommen.

Kickl steht nun vor einem ähnlichen Problem wie Hofer: Er liegt mit seiner Partei viel zu früh vorne. Je wahrscheinlicher scheint, dass das auch dem nächsten Wahlergebnis entsprechen wird, desto eher wird er als möglicher Bundeskanzler gesehen. Sein Versuch, das zu beeinflussen und sich als Volkskanzler zu inszenieren, wirkte bisher nicht. Eine Masse misstraut ihm, kaum mehr als jeder Vierte vertraut ihm.

Selbst Schwächen seiner Mitbewerber könnten sich letzten Endes zu seinem Nachteil verkehren. Dass Karl Nehammer ÖVP-Obmann bleibt, wenn die Volkspartei Zweite oder Dritte wird, ist ebenso fraglich wie das Zustandekommen einer blau-türkisen Koalition in einem solchen Fall.

In der ÖVP gibt es nach all den türkisen Jahren eher sogar eine Tendenz hin zu einer Zusammenarbeit mit der SPÖ. Dafür stehen unter anderem der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle und der steirische Landeshauptmann Christopher Drexler. Dieser hat gerade wissen lassen, dass er die (noch) große Koalition auf Landesebene auch nach der Landtagswahl im kommenden Jahr fortsetzen möchte. Umgekehrt findet Rot-Schwarz/Schwarz-Rot in der SPÖ vor allem in Wien Zuspruch. Das hat den Bundesparteivorsitzenden Andreas Babler bereits gezwungen, seine Absage an die Volkspartei zu relativieren.

Und dann ist da noch der Bundespräsident, dem das gefallen könnte. Ein Kanzler Kickl würde jedenfalls dem unmissverständlichen Bekenntnis zu Menschenrechten und europäischer Integration widersprechen, das er verlangt. Einen solchen Kanzler aufgrund eines Drucks von der parlamentarischen Seite her zulassen zu müssen, wäre aufgrund dieser Verstöße gegen inhaltliche Kriterien unerträglich für Van der Bellen. Da würde er vielleicht eher zurücktreten. Aber soweit muss es wie gesagt nicht kommen.

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