Wallner macht’s schlimmer

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ANALYSE. Vorarlbergs Landeshauptmann hat sich in einen mehrwöchigen Krankenstand verabschieden müssen. Zu schaffen machen ihm nicht nur Anschuldigungen. Seine Abwehrstrategie in der Wirtschaftsbundaffäre war ausschließlich kräfteraubend – und in wesentlichen Teilen daneben, wie der Rechnungshof bestätigt hat.

Am Dienstag war noch alles wie gewohnt. Im Pressefoyer nach der wöchentlichen Regierungssitzung präsentierte Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) „treffsichere“ Ausgleichsmaßnahmen zur Teuerung; sie sollen ergänzend zu denen des Bundes wirken. Keine 24 Stunden später befand sich Wallner ohne persönliche Vorankündigung in einem mehrwöchigen Krankenstand. In einer Aussendung hatte er das mitteilen lassen.

Die Erklärungen klingen schlüssig; sie entsprechen der Wahrnehmung von Wallner: Die letzten Monate seien von ungewöhnlichen Anstrengungen geprägt gewesen. „Zum einen sind hier die langwierigen, schwierigen Herausforderungen in der Krisenbewältigung ins Treffen zu führen. Andererseits haben selbstverständlich auch die Vorwürfe rund um die Causa Wirtschaftsbund und die damit verbundenen Anstrengungen zur Klarstellung dieser gegen ihn gerichteten, haltlosen Vorwürfe zu einer außergewöhnlich hohen Belastung mit körperlichen Beschwerden geführt.“

Politik ist unglaublich hart geworden. Was seit Ausbruch der Pandemie zu bewältigen ist, hatte es davor über Jahrzehnte hinweg nicht gegeben. Zur Gesundheitskrise sind gesellschaftliche Herausforderungen dazugekommen, und schließlich ist da dieser Krieg in der Ukraine mit allem, was damit einhergeht. Zusätzlich gefordert sind auch Landeshauptleute.

Bei Wallner ist da im Übrigen die „Wirtschaftsbund-Affäre“. Genauer: Die Affäre in seiner Partei. Er ist ihr Obmann, hat möglicherweise zu lange zugeschaut, wie er im Frühjahr einmal erklärt hat. Zu schaffen machen ihm natürlich die anonymen Vorwürfe, er habe sich selbst um Inserate bemüht und auch politische Gefälligkeiten dafür in Aussicht gestellt. Sie sind es wohl, auf die der 54-Jährige in der Krankenstandserkärung anspielen lässt, wenn von „haltlosen Vorwürfen“ die Rede ist.

Wallners Problem ist jedoch, dass es um viel mehr geht. Von seinem Eingeständnis, möglicherweise zu lange zugeschaut zu haben, ist er nicht weitergegangen zur Ankündigung, alles auf den Tisch zu legen und schlussendlich für einen sauberen Tisch zu sorgen. Er ist vielmehr in die Abwehr übergegangen, hat in einer Sondersitzung des Landtages von substanzlosen Anschuldigungen aus „Innerösterreich“ gesprochen, die zurückgewiesen werden müssten.

Spätestens seit der Rechnungshof Anfang Juni seine Sicht der Dinge veröffentlicht hat im Rahmen seiner Feststellungen zum Rechenschaftsbericht 2019 der gesamten Volkspartei, ist die Abwehr in sich zusammengebrochen. Das Prüforgan schätzt das Inseratenaufkommen allein in dem einen Jahr auf 1,6 Millionen Euro und meint, dass rund 1,3 Millionen Euro davon als Parteispenden zu werten sind. Parteispenden, die nicht als solche ausgewiesen worden sind. Und die nun teuer werden könnten: Der strenge Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat könnte auf eine Strafzahlung bis zum Dreifachen dieser Summe entscheiden. Das wäre selbst für die Bürgerlichen im äußersten Westen schwer zu stemmen. Außerdem: Rund 232.000 Euro für Inserate flossen laut Rechnungshof von Landesbeteiligungsunternehmen – oberster Eigentümervertreter: Markus Wallner -, und das wäre überhaupt verboten.

Die Feststellungen des Rechnungshofes sind historisch: Sie räumen mit gerne getätigten Erzählungen von Wallner und Co. auf, Ihresgleichen habe wenig bis nichts mit Teilorganisationen und Seniorenbundvereinen zu tun. In Wirklichkeit ist es so, dass sie für all das mitverantwortlich sind. Es gehört zur Partei, die sie führen. Und wenn einzelne Akteure irgendwo Mist gebaut haben, stellt sich zumindest die Frage, wie es dazu kommen konnte und wie es um Kontrollmechanismen bestellt war. These: Im Wirtschaftsbund von Wallners ÖVP gab es keine. Wallners ÖVP hat sich einfach nur über die Überweisungen des Wirtschaftsbundes gefreut. Was heißt These: Der Ex-Industrielle Christoph Hinteregger hat das in seiner Rede von einem Sumpf, der trockengelegt gehört, in wesentlichen Teilen sogar bestätigt.

Was nun? Gesundheit hat Vorrang. So hart es jedoch klingen mag: Kann es sich ein Landeshaupt- und Landesparteiobmann unter all diesen Umständen erlauben, über mehrere Wochen hinweg so gar nicht einsatzfähig zu sein? Gerade jetzt bräuchten ihn Land wie Partei. Hier geht es nicht um Markus Wallner, sondern um Aufgaben und Pflichten, die mit seinen Ämtern verbunden sind.

In der Affäre in seiner Partei hat es Wallner verabsäumt, einen notwendigen Schnitt vorzunehmen. Damit hat er alles nur noch schlimmer gemacht, für sich und die Partei. Sie wird nicht umhinkommen, sich mit einem oder einer Anderen an der Spitze neu aufzustellen. Das leitet jedoch über zu ihrer größeren Misere: Wallner ist jetzt nicht nur nicht zurückgetreten, weil er das bisher so kategorisch ausgeschlossen hat. Es gibt schlicht keine potenzielle Nachfolge: Es gibt keinen Christopher Drexler, der von seinem Mentor Hermann Schützenhöfer über Jahre hinweg aufgebaut worden ist; es gibt keinen Toni Mattle, der sich von Günther Platter in eine Wahlniederlage schicken lässt (und auch noch dankbar dafür ist); es gibt nicht einmal einen Karl Nehammer, der von Sebastian Kurz die türkise Bundesparteiorganisation übernommen hat.

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