Vorbereitungen auf einen Volkskanzler

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ANALYSE. Worauf es Kickl hinauslaufen lassen möchte und was auf dem Spiel steht, gehört herausgearbeitet. Ohne Problembewusstsein droht Übleres.

Sich als Volkskanzler-Kandidat zu inszenieren, ist offenbar nicht einmal dann ein größeres Problem, wenn man echte Chancen hat, Bundeskanzler zu werden und betont, als solcher im Sinne eines Volkes gegen die da oben treten zu wollen. Es gibt jedenfalls keine wahrnehmbare Auseinandersetzung damit. Womit Herbert Kickl, FPÖ, von dem hier die Rede ist, seinem Ziel auch schon wieder ein Stück näher gerückt ist.

Andererseits: Würde es eine ernsthafte Auseinandersetzung damit gehen, könnte es sich ÖVP-Chef Karl Nehammer nicht länger leisten, sämtliche Koalitionsvarianten offen zu lassen und zu erklären, dass zuerst der Wähler am Wort sei. Was für sich genommen schon eine kleine Unverschämtheit ist: Wähler wählen Parteien und die Summe der Wählerschaft macht lediglich mehrere Koalitionsvarianten möglich. Gar keine Festlegung durch Nehammer bedeutet daher nicht, dass er den Wähler entscheiden lassen möchte, sondern nur, dass er nach der Wahl tun können möchte, was ihm vorteilhaft erscheint. Wobei eben auch eine Zusammenarbeit mit der FPÖ von Herbert Kickl eine Option ist. Was tief blicken lässt. Doch dazu später.

Umgekehrt wäre im Falle einer ernsthaften Auseinandersetzung mit einer Volkskanzlerschaft die SPÖ gezwungen, mehr zu liefern als eine bloße Absage an Kickl und die Freiheitlichen. Sonst verstärkt sich das, was ohnehin schon seit Jahren passiert: Ehemalige Anhänger der SPÖ sehen keinen überzeugenden Grund, nicht zur FPÖ zu wechseln und wechseln daher zur FPÖ.

Was fehlt, ist Problembewusstsein. Ein Volkskanzler geht über das hinaus, was Jörg Haider im Rahmen der 3. Republik oder Heinz-Christian Strache durch eine Stärkung der direkten Demokratie angestrebt haben. Die beiden hätten ja wenigstens Verfassungsreformen durchgeführt.

Herbert Kickl würde sich einfach zum teils willkürlich, teils absolutistisch agierenden Staatschef machen und so mir nichts, dir nichts die Realverfassung ändern. In seiner Rede zum 1. Mai sprach er von einer „totalen Hinwendung zur eigenen Bevölkerung“ und davon, dass nur seine Partei für Wahrheit stehe. Das ist zweifach daneben: Es gibt weder die eine Wahrheit noch die eine (gleichgesinnte) Bevölkerung. Kickl vermittelt es aber, um dann, wenn er an der Macht ist, so zu tun, als wäre er durch den Souverän ermächtigt worden, zu machen, was richtig sei. Dabei existiert keine Grenze. Im Falle des Falles muss auch Recht der Politik folgen, wie er schon einmal gemeint hat.

An dieser Stelle könnte man einwenden, es gebe ja noch einen Bundespräsidenten, ein Parlament, Medien, Höchstgerichte, die Justiz und vieles andere mehr, was Demokratie und Rechtsstaat ausmacht. Stimmt. Bloß: Die Möglichkeiten des sogenannten Staatsoberhauptes sind begrenzt. Das Parlament ist über die Jahre mit Erfolg herabgewürdigt und zu einer Durchwinkstation gemacht worden. Und Medien befinden sich in einer Krise und werden künftig eventuell durch eine Finanzierung aus dem Budget (ORF) oder durch eine ausgeweitete Inseratenkorruption (Zeitungen) am Leben gelassen oder nicht. Je nachdem, wie’s gefällig ist.

Widerstände, durch Höchstgerichte oder die EU, wären Kickl andererseits sogar recht: Als Populist würde er sich dafür sogar bedanken. Er verspricht ja nicht nur eine „totale Hinwendung zur eigenen Bevölkerung“, sondern auch eine „totale Abwendung von Eliten“. Bei jedem VfGH-Erkenntnis oder bei jeder Aufforderung aus Brüssel könnte er das dann unter Beweis stellen und sich gegen die angeblichen Feinde des Volkes stellen. Schlag nach bei seinem Vorbild Viktor Orbán. Selbst wenn er klein beigeben müsste, wäre er so ein Sieger, der immerhin gekämpft hat wie ein Löwe.

Selbstverständlich würde all das auf Kosten von Demokratie, Rechtsstaat und europäischer Integration gehen. Umso wichtiger wäre es, dass politische Mitbewerber vor der kommenden Nationalratswahl mitteilen, warum sie sich vorstellen können, das als Juniorpartner in einer Regierung zu ermöglichen; oder warum genau sie eben nicht dazu bereit sind.

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