ANALYSE. FPÖ-Chef Herbert Kickl lässt in den eigenen Reihen gegen das freie Mandat vorgehen. Das widerspricht dem Geist der Verfassung.
Auch wenn das freie Mandat parteiübergreifend ständig unterwandert wird (Stichwort „Klubzwang“), sollten entsprechende Schritte wahrgenommen werden. Laut einem Bericht des „Standard“ werden freiheitliche Mandatare auf Bundes- und Länderebene „im Auftrag“ von Parteichef Hebert Kickl neuerdings angehalten, „über etwaige Auslandsreisen vorab mit Mail zu informieren“. Angesichts der nahenden Nationalratswahl sei es „zur Abstimmung erforderlich, dass wir (die FPÖ; Anm.) eine zentrale Übersicht über sämtliche Auslandsreisen unserer Abgeordneten und Funktionäre (inklusive Kontakte und Zweck der Reisen) haben“.
Das Motiv mag nachvollziehbar sein: Man möchte sich Missionen – wie jene einer Delegation unter Leitung von Andreas Mölzer nach Afghanistan – ersparen. Beziehungsweise Unannehmlichkeiten, die damit einhergehen und der Partei Stimmen kosten könnten.
Was die Abgeordneten betrifft, handelt es sich jedoch um einen lupenreinen Angriff auf das freie Mandat. Das ist nicht irgendetwas, sondern etwas verfassungsrechtlich verankertes: „Die Mitglieder des Nationalrats und die Mitglieder des Bundesrats sind bei der Ausübung dieses Berufes an keinen Auftrag gebunden“, heißt es in Artikel 56 des Bundes-Verfassungsgesetzes. Praktisch bedeutet es, dass sie allein ihrem Gewissen zu gehorchen haben bzw. einer Partei genauso wenig wie einem in der Regel ohnehin nicht objektiv feststellbarem Wählerauftrag.
Insofern kann man einen Klubzwang, wie auch immer er informell durchgesetzt und von Abgeordneten hingenommen wird, als eine Art Verfassungsbruch bezeichnen. Ober aber eben auch die Meldepflicht, die Kickl nun für seine Reihen ausgegeben hat. Sie dient ja dazu, Reisen, die der Partei schaden könnten, zu unterbinden. Womit auch die „freie Ausübung“ das Mandats verletzt werden würde.
Das Ganze lässt tief blicken: Dass Abgeordnete zum Beispiel bei Abstimmungen nicht frei im Sinne ihres Gewissens agieren „dürfen“, kennt man besonders auch aus Regierungsfraktionen, derzeit also ÖVP und Grünen. Es gilt in der Praxis als Notwendigkeit, damit eine Koalition überhaupt funktionieren kann.
Bei der FPÖ geht es nun aber auch darum, dass Herbert Kickl bereits angekündigt hat, nach der Nationalratswahl im kommenden Jahr ein „Volkskanzler“ werden zu wollen. Hier erhärtet sich, was man bisher vermuten konnte: Kickl ermächtigt sich nicht nur, festzustellen, was der Wille „des“ Volkes sei; zur Umsetzung erwartet er sich zudem Abgeordnete, die das freie Mandat ganz aufgeben zu seinen Gunsten.