Verschiebung nach rechts

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ANALYSE. Solange sich Kickl nicht selbst erledigt, wird die ÖVP mit Freiheitlichen wieder stärker um Wähler ringen. Das wird die gesamte Innenpolitik prägen: Mitte-Links ist wenig.

Integrationsministerin Susanne Raab präsentiert eine „Islamlandkarte“, Europaministerin Karoline Edtstadler warnt vor steigendem „Migrationsdruck“: Solche Signale kann man nicht nur als Bemühen von ÖVP-Politikerinnen sehen, eine enttäuschte Wählerschaft aufzupäppeln, sondern vor allem auch als Antwort auf ein mögliches Wiedererstarken der Freiheitlichen: Mit Herbert Kickl bekommen sie einen Parteichef, der für unmissverständliche Botschaften bekannt ist, die in entscheidenden Teilen ein und dieselbe Klientel ansprechen. Der Slogan „Pummerin statt Muezzin“ stammt von ihm; auch er redet nicht von Flüchtlingen, geschweige denn Geflüchteten, sondern von illegaler Migration.

Wie hier schon erwähnt, hat die ÖVP Grund zur Sorge: Zahlreiche Affären machen ihr genauso zu schaffen wie Pleiten und Pannen in der Coronakrise. Die Viertelmillion Wähler zu halten, die sie unter Führung von Sebastian Kurz bei der Nationalratswahl 2019 den Freiheitlichen abgenommen hat, ist vor diesem Hintergrund eine besondere Herausforderung.

These: Die ÖVP wird sich in den kommenden Monaten mehr denn je darum bemühen. Umgekehrt bedeutet dies beispielsweise, dass für eine Aufnahme auch nur einzelner Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern weniger denn je Platz sein wird. Unpopuläres wie eine Pensionsreform oder eine Ökologisierung des Steuersystems, die halt auch zu höheren Spritpreisen führen müsste, wird ebenfalls schier undenkbar.

Das wird auch die Grünen hart treffen. Solange sie Teil der Regierung sind, können sie dieser Verschiebung nach (noch weiter) rechts nicht viel entgegensetzen. Sie sind gewissermaßen mitgefangen, wie sie es als vermeintliche Kontrollpartei auch bei der Beendigung des Ibiza-U-Ausschusses sind.

Mitte-Links ist wenig: Österreich hat traditionell eher eine Mehrheit rechts der Mitte. SPÖ-Absolute sind in der Geschichte der Zweiten Republik die Ausnahme, eine rote-grüne Mehrheit ist es ebenfalls und selbst Rot-Grün-Pink ist heute entfernt davon.

Das aber führt zur anderen Seite des Problems: Zum politischen Wettbewerb würden „Gegenmodelle“ gehören. Linke vertreten ebensolche wohl auch deswegen kaum noch, weil sie nicht durchsetzbar erscheinen. Für eine Erbschaftssteuer gibt es genauso keine Mehrheit wie für eine Gemeinsame Schule.

Das Ergebnis ist eine inhaltliche Mitte-Rechts-Dominanz, die sich nun eben verstärken könnte, ohne dass ÖVP und FPÖ zusammen regieren. Kurz hat schon bei den Koalitionsverhandlungen bei den Grünen Wert darauf gelegt, türkis-blaue Ansagen in – für ihn – entscheidenden Bereichen fortzusetzen.

Jetzt wird er als Antwort auf Kickl wohl nachlegen. Es sei denn, dieser erledigt sich selbst: Kickls größte Schwäche ist, dass er gerade in der Coronakrise eine Masse gebildet hat, in der auch Identitäre und Leute wie Gottfried Küssel mitmarschieren. Und dass er dabei angreifbar ist.

Eine Ahnung davon hat man im Ö1-Morgenjournal-Interview am 8. Juni bekommen, als er auf die Frage, ob er sich wie sein Vorgänger Norbert Hofer vom rechtsextremen Narrensaum und Identitären abgrenze, mit dem Vorwurf kam, er werde mit „der Nazikeule“ konfrontiert – das war eher Ablenkung als Antwort.

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