Verhängnisvolles Personal

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ANALYSE. In der Krise rächt es sich, dass Kompetenz bei der Kür zum Regierungsmitglied oder zum Nationalratspräsidenten keine Rolle gespielt hat. Und dass es keine Rücktrittskultur gibt.

Soll man lachen oder soll man weinen? In einem Video zum SWIFT-Ausschluss russischer Banken erklärt die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, dass das ein riesiges Problem für einen Standort sei, einzelne Zahlungen sehr wohl aber „händisch“ abgewickelt werden könnten. Also per Erlagschein. Problem, abgesehen davon, dass das Geld selbst nicht ebenso händisch zu einer Empfängerin, einem Empfänger getragen wird: „Für internationale Überweisungen außerhalb des EWR ist zusätzlich zur IBAN immer auch der BIC anzuführen“, so eine offizielle Informationsseite der Republik. Beim BIC (Bank Identifier Code) schließt sich der Kreis – er wird von der „Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“, kurz SWIFT, vergeben.

Schramböck ist auch Digitalisierungsministerin und hat als solche unter anderem das „Kaufhaus Österreich“ zu verantworten. Diese Geschichte ist bekannt. Als Wirtschaftsministerin „drängte“ sie vergangene Woche, als russische Truppen schon vor dem Angriff auf die Ukraine standen, hierzulande eine Erdgas-Notfall-Reserve zu bilden. Das brachte ihr eine anerkennende Schlagzeile in der „Krone“, im Übrigen aber Verwunderung: Erst jetzt?

All das ist ja noch harmlos gegen Äußerungen von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP); beziehungsweise ihre Vergleiche zwischen Österreich und der Ukraine, zwischen 1938, 1945 und heute. Von Schallenberg folgte eine Klarstellung, von Sobotka eine Entschuldigung. Ukrainerinnen und Ukrainer müssen demnach doch nicht in ihrem Land bleiben, um es zu verteidigen, sie können auch nach Österreich fliehen, werden hier selbstverständlich aufgenommen.

Schramböck, Schallenberg und Sobotka zeugen von Inkompetenz, die gerade in der Krise sichtbar wird. Genauer: Nicht mehr zu verbergen ist. In gewöhnlichen Zeiten erscheint es nicht so genau, was man sagt. Jetzt kommt es auf jede Silbe an.

Beim Außenminister könnte man voraussetzen, dass er’s drauf hat: Er kommt aus dem diplomatischen Dienst. Andererseits: Das hat bei seiner Bestellung in seine heutige Funktion keine Rolle gespielt. Er war Vertrauter von Sebastian Kurz. Das war entscheidend. Bei Schramböck war maßgebend, dass sie als ehemalige Managerin („A1“-CEO) als Quereinsteigerin dargestellt werden konnte. „Berufspolitikerin“ wäre ein Nachteil gewesen. Das klingt unpopulär. Im Übrigen war es Kurz wichtig, von Leuten umgeben zu sein, die er überstrahlt. So kam es eben zu Ministerinnen und Ministern wie Schallenberg und Schramböck. Oder wie Christine Aschbacher, die wegen einer Plagiatsaffäre im Jänner 2021 zurücktrat.

Wolfgang Sobotka bekleidet, kompromisslos formuliert, seinen zweiten Versorgungsposten: Einst galt er als LH-Kandidat in Niederösterreich. Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll wollte jedoch Johanna Mikl-Leitner (und setzte sie dann auch durch), also mussten die beiden Plätze tauschen. Mikl-Leitner wechselte vom Innenministerium in der Wiener Herrengasse nach St. Pölten, Sobotka von St. Pölten in die Herrengasse. 2017 ging das Innenministerium an die Freiheitlichen (Hebert Kickl), also machte Kurz Sobotka zum Nachfolger der 38-Tage Nationalratspräsidentin Elisabeth Köstinger.

Auch wenn es eine ehrenvolle Aufgabe ist, das Parlament zu führen, verwundert es aufgrund dieses Mit-sich-Geschehen-lassens über all die Jahre nicht, dass kein Verständnis dafür besteht, wann ein Rücktritt fällig wäre; oder auch nur ein Verzicht, wegen möglicher Befangenheiten als ÖVP-Politiker dem Untersuchungsausschuss zu türkisen Korruptionsaffären vorzusitzen.

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