Unsere Anti-Trumps

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ANALYSE. Nicht nur Kurz steht auf der falschen Seite der Geschichte, sondern auch Kickl. Schwarz-Rot-Pink hingegen ist gefragt. Und Stocker geht nicht (mehr) als Notlösung ins Kanzleramt.

Die „Kronen Zeitung“ kann’s nicht lassen. Chefredakteur Klaus Herrmann hat wieder einmal versucht, böse zu sein. Ergebnis: In seiner Morgenpost schrieb er von einer „Fetzenregierung“, weil sie am Rosenmontag angelobt wird und das im Salzkammergut der Fetzenmontag sei. Auch „Zuckerlregierung“, eine Bezeichnung, die er selbst in den vergangenen Wochen und Monaten verwendet hat, würde zu den niedrigen Erwartungen an Schwarz-Rot-Pink passen, schreibt er und gesteht damit auch schon erfreulich offen ein, sie zunächst einfach nur niederzuschreiben.

Markus Marterbauer als Finanzminister ist überhaupt das Letzte für sein Blatt. Der linke Ökonom, der für eine Vermögens- oder Dichandsteuer ist, wie der Volksmund sagt, sei der potenzielle Sprengmeister. Auch in sozialdemokratischen Kreisen sei er umstritten. Seit einiger Zeit schon habe er ein Auftrittsverbot bei der AK-NÖ, behauptet das Blatt. Bei der AK-NÖ heißt es freilich: „Der Marterbauer war erst im Jänner bei uns.“

Aber sei’s drum: Man muss Schwarz-Rot-Pink nicht wohlwollend gegenüberstehen; man kann Positionen, für die Marterbauer bisher geworben hat, ablehnen. Es ist jedoch nicht nur billig, wie es das auflagenstarke Blatt tut (z.B. ohne Frage an Marterbauer, wie er’s als Finanzminister anzulegen gedenkt), sondern obendrein bemerkenswert, dass sie mit einem möglichen Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) nie auch nur ein annähernd so großes Problem zum Ausdruck gebracht hat.

Aber vielleicht ändert sich das ja gerade. Während Kickl selbst auf Facebook „Schnappatmung bei den selbsternannten Eliten der EU“ ortet, weil US-Präsident Donald Trump am Freitagabend im Oval Office gemeinsam mit seinem Vize JD Vance „Klartext“ mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj gesprochen habe; während der FPÖ-Chef also ebenfalls der Überzeugung ist, dass die Ukraine nicht Opfer, sondern Täter und Russland nicht Täter, sondern Opfer ist, wird Chefredakteur Herrmann im zweiten Teil seiner Morgenpost nachdenklich.

In Anbetracht der Szenen im Oval Office ruft er dazu auf, das Positive an der neuen Regierung zu sehen: „Der unglamouröse Herr Stocker umgeben von einer ebenfalls unglamourösen Truppe als Ministerinnen und Minister. Das kann richtig gut tun in so aufgewühlten Zeiten, in Zeiten, in denen Diplomatie, Zurückhaltung, der konstruktive Umgang mit anderen gänzlich abgemeldet scheinen. Ein Lob auf unsere Anti-Trumps!“

Das sollte man nicht unterschätzen: An dieser Stelle stand vor einer Woche, ein Sebastian Kurz-Comeback könne man vergessen; unter anderem, weil er als schlichter Trump-Anhänger auf der falschen Seite der Geschichte stehe. Für Kickl gilt dasselbe. Schon klar: Mit ihren Positionen können sie 20, 30 Prozent überzeugen. Für alle, die auch nur in der Nähe der Mitte sind, sind sie jedoch untragbar geworden – als Sympathisanten eines Rechtsextremen, der in der Welt generell das Recht des Stärkeren wiedereinführt und gewohnte Sicherheiten unter anderem für Westeuropäer über Bord wirft.

Es gibt einen Anti-Trump-Effekt. In Kanada, wo heuer gewählt wird, hat sich die politische Stimmung gerade „dramatisch gewendet“, wie die „Tagesschau“ berichtet: Vor zwei Monaten seien die Liberalen des scheidenden Premierministers Justin Trudeau unter 20 Prozent gelegen, hätten die Konservativen bereits mehr als 40 Prozent gehalten. Heute liegen die Liberalen wieder vorne (siehe Grafik). Grund: „Der erste Faktor war der Rückzug von Justin Trudeau und der zweite Faktor waren die Drohungen von Donald Trump einschließlich der Zölle“, zitiert die Tagesschau einen Meinungsforscher. Soll heißen: Trump hat eine einzigartige Gegenbewegung (mit-)ausgelöst.

Opinion polling during the pre-campaign period of the 45th Canadian federal election.svg
By UndermediaOwn work, CC BY-SA 4.0, Link

Das auf Österreich umzulegen, ist schwierig. Andererseits: Trump selbst wirkt hierzulande wohl bei weitem (noch) nicht so unmittelbar wie in Kanada. Der Effekt wird durch Kickl aber zu einem kaum kleineren als dort. Die beiden stehen für das gleiche: Eine Kampfansage an die liberale Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; ein Sicherheitsrisiko ganz nach dem Geschmack von Wladimir Putin.

Das wirkt mobilisierend für die 60, 70 Prozent, die das so sehen. Es macht Schwarz-Rot-Pink für eine größere Mehrheit nicht mehr zu einer Notlösung, sondern zu einer Notwendigkeit. Es führt dazu, dass auch Grüne, die in Opposition landen, froh sind über diese Regierung. Dass 94 Prozent der Neos-Funktionäre für die Regierungsbeteiligung ihrer Partei gestimmt haben, obwohl sie das Programm selbst vielleicht nicht überzeugt hätte.

Es erklärt, dass der neue Kanzler Christian Stocker (ÖVP) von Tag zu Tag weniger belächelt wird und schon lange nicht mehr als Übergangslösung betrachtet wird: Er hat einerseits Wort gebrochen und Koalitionsverhandlungen mit Kickl aufgenommen. Er hat es andererseits – unter anderem durch das Leak des Verhandlungsprotokolls – aber geschafft, klarzumachen, was Kickl für Österreich bedeuten würde. Das hat Augen geöffnet.

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