Türkise Phobie

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ANALYSE. Weit rechts gibt es für die ÖVP von Sebastian Kurz keine Kompromisse in der Flüchtlingspolitik. Das macht sie nun auch für die Grünen lebensgefährlich.

Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat sich schon als CSU-Chef (2008 bis 2019) glaubwürdig darum bemüht, zu gewährleisten, was Franz Joseph Strauß einst ausgab: Rechts von der Christlich-Sozialen Union darf es keinen Platz für eine demokratisch legitimierte Partei geben. Vor bald zwei Jahren verkündete er stolz, dass „ausgerechnet“ zu seinem 69. Geburtstag 69 Personen nach Afghanistan abgeschoben worden seien. Das sei so zwar nicht von ihm bestellt worden, liege aber weit über den üblichen Werten.

Das muss man vorwegschicken. Zuletzt hat Seehofer einmal mehr betont, dass die Grenzen dicht bleiben müssen – er sprach sich zugleich jedoch dafür aus, syrische Kinder und Jugendliche aus griechischen Lagern zu holen.

Für die ÖVP ist das undenkbar. Und weil es undenkbar ist für sie, ist es für die Grünen nicht machbar. Sprich, die österreichische Koalition steht gewissermaßen rechts von der CSU. Die Grünen tun das zwangsläufig, die ÖVP tut es getrieben von einer regelrechten Phobie.

Die Geschichte ist bekannt und daher auch schnell erzählt: 2015 wären die Mehrheitsverhältnisse in Folge der Flüchtlingskrise beinahe gekippt. Die FPÖ war auf dem Weg zu Platz eins. Die ÖVP stand vor ihrem Untergang. Es ist ihr unter der Führung von Sebastian Kurz allein dadurch gelungen, ihn abzuwenden und selbst an die Spitze zu kommen, dass sie die freiheitlichen Inhalte explizit übernommen hat.

In weiterer Folge hat sie es wiederum geschafft, noch stärker zu werden, indem sie konsequent dabei geblieben ist. Konkret: Wir nehmen möglichst keine Flüchtlinge mehr auf. Und wir helfen auch keinen Flüchtlingen, die auf dem Weg zu uns sind, weil das nur weitere anziehen würde. Wobei uns allen bewusst sein muss, dass das „nicht ohne hässliche Bilder“ gehen wird, wie Sebastian Kurz schon vor vier Jahren gesagt hat.

Das Bemerkenswerte ist, dass sich diese Politik selbst befeuert, indem sie nichts tut, was zu einer nachhaltigen Lösung der Probleme beitragen würde. Ganz im Gegenteil, es gibt keine (nennenswerte) Hilfe vor Ort, keine Vermittlungsversuche auf diplomatischer Ebene, der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan, der leider ein Schlüsselspieler in der nunmehrigen Krise ist, wird vielmehr ausschließlich angegriffen. Sprich: All das treibt eher mehr Leute in die Flucht und macht es möglich, sich dagegen zu stellen.

Die politischen Folgen für Österreich sind offensichtlich: Die ÖVP pflegt hier ihre Position. Und zwar so wirkungsvoll, dass es den Freiheitlichen schon mit zum Verhängnis geworden ist. Ihnen ist schon zu Koalitionszeiten kaum noch Platz geblieben neben der Volkspartei.

Jetzt sind die Grünen dran: Als loyale Partner der ÖVP werden sie von dieser quasi automatisch von links nach rechts gerückt. Ja, sie sehen sich gezwungen, das, was Sebastian Kurz als ordentliche Mitte-Rechts-Politik bezeichnet, mitzutragen. Also können sie nicht einmal vermeintliche Akzentverschiebungen erreichen: Seinen Vorstoß, Frauen und Kinder aus Griechenland zu holen, packte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) nicht nur ein; er tat ihn selbst auch noch als persönliche Meinung ab. Und der grüne Hinweis, drei Millionen Euro Soforthilfe für syrische Flüchtlinge durchgesetzt haben, ist der Rede nicht wert: Aus dem Auslandskatastrophenfonds, aus dem das Geld kommt, fließt seit Jahren schon mehr Geld dafür; es bekommt jetzt halt nur ein neues Mascherl.

Doch zurück zur ÖVP: Sie ist getrieben von der Angst, dass sich 2015 wiederholen könnte. Wobei sie das ganz anders versteht, als es gemeinhin verstanden wird: Gemeint sind nicht die Flüchtlinge, gemeint ist ihr eigenes Schicksal. Ihren eigenen Untergang gilt es durch eine unmissverständliche Politik gegen Flüchtlinge abzuwenden. Folglich gibt es diesbezüglich keinen Spielraum für sie; und weil das so existenziell ist, wird sie wohl auch auf Dauer versuchen, dabei zu bleiben.

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