Stimmungsmacher Kern

KOMMENTAR. Der neue Kanzler und SPÖ-Chef setzt alles auf eine Karte: In kurzer Zeit muss es ihm gelingen, nicht nur gute Stimmung zu machen, sondern damit auch die Wirtschaft zu stimulieren. Sonst drohen ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und ihm selbst Probleme.

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KOMMENTAR. Der neue Kanzler und SPÖ-Chef setzt alles auf eine Karte: In kurzer Zeit muss es ihm gelingen, nicht nur gute Stimmung zu machen, sondern damit auch die Wirtschaft zu stimulieren. Sonst drohen ein weiterer Anstieg der Arbeitslosigkeit und ihm selbst Probleme.

„Wenn ich über diese Zeit nachdenke, so darf ich sagen, dass ich stolz auf dieses Land bin, das die Spekulations- und Wirtschaftskrise ohne Sparpakete und soziale Härte bewältigt hat“, sagte der damalige Kanzler und SPÖ-Vorsitzende Werner Faymann, nachdem er sich vergeblich darum bemüht hatte, auch den jüngsten Aufstand gegen ihn auszusitzen, und ging. Acht Tage und zwei Stunden später trat sein Nachfolger Christian Kern an, um klarzustellen, dass solches „Schauspiel“ der „Machtversessen- und Zukunftsvergessenheit“ Geschichte sein müsse. 

Faymann hatte tatsächlich geschummelt. Die Krise ist nicht bewältigt, wie er schon zuvor immer wieder behauptet hatte. Im Gegenteil: Die Schulden sind viel höher und die Reallöhne niedriger als zu ihrem Beginn; die Arbeitslosigkeit hat sich schlichtweg verdoppelt und die Wachstumsraten sind viel zu bescheiden geblieben. Doch soche Darstellungen, die mit der Wirklichkeit ganz und gar nichts zu tun haben, war man bereits gewohnt.

Das macht es Kern so einfach. Als gelernter Manager weiß er, was man am ersten Arbeitstag tun muss: Man legt die Bilanz des gescheiterten Vorgängers schonungslos offen. Das ist dann eine Basis, die man in weiterer Folge kaum noch unterbieten kann. Und: Man unterstreicht kurz, dass es so nicht weitergehen kann, um dann zuversichtlich einen Weg für die Zukunt zu skizzieren. Das macht Mut.

Die Reaktionen auf den ersten Auftritt des neuen Kanzlers und SPÖ-Vorsitzenden zeigen, wie sehr Österreich darauf gewartet hat, dass endlich jemand die Dinge beim Namen nennt und den Eindruck vermittelt, alles sei lösbar. Das tut gut. Wobei sich Kern eines kleinen Tricks bedient: Er lenkt den Fokus von der Flüchtingsfrage, die nach der politischen Darstellung der vergangenen Monate ausschließlich problembehaftet ist, auf andere Themen. Insbesondere die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Damit schaut die Welt fürs Erste schon ganz anders aus.

Der bisherige ÖBB-Chef geht damit jedoch ein beträchtliches Risiko ein: Die jüngsten Prognosen verheißen nicht, dass die Konjunktur in absehbarer Zeit anziehen wird. Im Gegenteil, die Wachstumsraten werden eher sinken, womit auch die Arbeitslosigkeit weiter steigen würde; schon 2019 könnte laut Bundesfinanzrahmen erstmals eine zweistellige Arbeitslosenquote erreicht sein.

Zumal Reformen erst längerfristig greifen, kann Kern nur darauf setzen, dass er so etwas wie eine psychologische Wirkung entfalten kann.

Und zumal auch die besten Reformen erst längerfristig greifen und die Kassen seit dem Entlastungspaket vom 1. Jänner 2016 leer sind, kann Kern nur darauf setzen, dass er so etwas wie eine psychologische Wirkung entfalten kann. Also versucht er sich als Stimmungsmacher. Ja, das Wort „Stimmung“ hat er auf seiner ersten Pressekonferenz sogar bewusst in den Mund genommen: Er will die „Stimmung drehen“. Letzten Endes ist das auch seine einzige Chance: Wenn es ihm gelingt, einen gesamtösterreichischen Aufbruch zu stimulieren, dann ist das schon die halbe Miete; wenn die Leute zur Überzeugung gelangen, dass alles besser wird, werden sie weniger sparen und mehr konsumieren – und das bringt die Wirtschaft in Schwung.

Will sich Kern bis 2025 halten, muss er hoffen, dass sich das Feuer, das er da entfachen möchte, rasch ausbreitet, sich die Massen also anstecken lassen. Dann ist alles möglich. Aber es muss, wie gesagt, schnell gehen. Viel Zeit hat Kern nicht: In einem Jahr spätestens ist es entweder zu einem Aufschwung gekommen oder er hat ein Problem; dann sind alle Versuche, gute Stimmung zu machen, verpufft – und die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen.

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