SPÖ: Zeit, Oppositionsrolle anzunehmen

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ANALYSE. Zumal sich der Trend Richtung Türkis-Blau verstärkt: Rendi-Wagner und Co. tun sich nicht Gutes, weiter nur auf eine baldige Rückkehr in die Bundesregierung zu warten. Das kann noch sehr lange dauern.

Von ihrem Selbstverständnis her ist die SPÖ eine Regierungspartei. Das merkt man: Bundesvorsitzende Pamela Rendi-Wagner hat schon vor mehr als einem Jahr eine Kanzlerkandidatin-Rede gehalten. Was seither passiert ist, ist bekannt. Im Rahmen der laufenden Mitgliederbefragung geht es unter anderem auch darum, wer mit wem (nicht) koalieren würde. Für Rendi-Wagner kommen alle Parteien bis auf die FPÖ infrage, Burgenlands Landeshauptmann schließt eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl aus, und Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler würde am liebsten nur ein Bündnis Neos und Grünen eingehen und die ÖVP in Opposition schicken.

In Wirklichkeit spricht mehr und mehr dafür, dass sich die SPÖ selbst dort noch länger befinden wird. Natürlich: Bei Freiheitlichen weiß man nie, mit der Ibiza-Affäre hat niemand gerechnet und bisher sind sie noch nie eine „volle“ Legislaturperiode, also vier bzw. seit geraumer Zeit fünf Jahre in der Regierung gewesen.

Vielleicht sollte die Sozialdemokratie jedoch davon ausgehen, was zunächst am schlimmsten für sie wirkt, längerfristig aber am besten für sie sein könnte, ganz egal, wer sich bei der Mitgliederbefragung durchsetzt: Es ist damit zu rechnen, dass nach der nächsten Nationalratswahl Blau-Türkis kommt.

Die FPÖ liegt deutlich vorne, Probleme wie die Inflation bescheren ihr zusätzlichen Rückenwind. Und bei der ÖVP beginnt man sich damit abzufinden, dass eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen alternativlos sei. Wobei man nicht ehrlich ist: Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer, der nun ebenfalls dazu tendiert, behauptet, es entspreche einer Stimmung in der Bevölkerung. Das ist jedoch Unsinn: Laut SORA-Wahltagsbefragung würden die Leute Türkis-Rot bevorzugen. Es geht für die ÖVP vielmehr darum: Die meisten Wähler hat sie unter Sebastian Kurz von der FPÖ gewonnen und die meisten Wähler verliert sie nun an diese. Folglich hofft sie, das Ganze durch Politik aus türkis-blauen Guss wieder umdrehen zu können.

In Niederösterreich ging die ÖVP vor diesem Hintergrund lieber mit der FPÖ zusammen als mit der SPÖ. Ähnliches könnte bald auch in der Steiermark und in Vorarlberg passieren. Und letzten Endes auf Bundesebene. Auch wenn es für Karl Nehammer (oder wer dann auch immer das Sagen haben wird in ihren Reihen) bedeutet, sich mit der Juniorpartnerrolle und dem Vizekanzleramt begnügen zu müssen.

Für die SPÖ wäre es an der Zeit, diese Perspektive anzunehmen. Sie würde sich nichts Gutes tun, sich zum Beispiel die Option Rot-Türkis weiterhin offenzuhalten und sich aus Rücksicht darauf in diversen Fragen zurückzunehmen. Es würde ihr vielleicht sogar helfen, wenn sie die ÖVP die ÖVP sein lässt und stattdessen beginnt, sich auf Oppositionsarbeit zu konzentrieren.

Stichwort Kontrolle: Diesbezüglich tut sie sich gegenüber Neos und in U-Ausschüssen selbst gegenüber Grünen (Regierungspartei) nicht hervor. Stichwort Inhalte: Es ist bezeichnend, dass einer breiten Öffentlichkeit keine Köpfe bekannt sind, die zum Beispiel für Bildungs- oder Sozialpolitik stehen. Diese Themen werden vernachlässigt. Dabei wären sie längerfristig für eine Rückkehr in eine Regierung wichtig. Ohne sie wird eine solche nur möglich, wenn eine ÖVP-FPÖ-Koalition wieder einmal platzt und Freiheitliche implodieren.

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