ANALYSE. Werner Faymann hat versucht, den einzig möglichen Koalitionspartner bei Laune zu halten. Doch das funktioniert nicht. Siehe Balkankonferenz.
Auch wenn man die letzten Monate noch so oft durchgeht, nachvollziehen kann man es nicht, was sich da in der österreichischen Sozialdemokratie abspielt: Zunächst stellte sich ihr Vorsitzender, Bundeskanzler Werner Faymann, bedingungslos hinter seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel (CDU) – und ließ Flüchtlinge durch Österreich zeihen.
„Menschlichkeit“ lautete das Motto. Doch wenn das ernst gemeint war, dann nimmt Faymann nunmehr „Unmenschlichkeit“ in Kauf (was zeigt, wie vorsichtig man mit moralisierenden Begriffen in der Politik sein sollte; Anm.): Um den einzig möglichen Koalitionspartner nur ja nicht zu verlieren, versucht er dessen Vertretern die Wünsche von den Lippen abzulesen. Ergebnis: Grenzzäune, Obergrenzen, Asyl auf Zeit, Grenzkontrollen etc.
Die Folge davon ist so etwas wie ein sozialdemokratischer Winterschlussverkauf: Die Partei gibt ihre Prinzipien ab. Gratis!
Die Folge davon ist so etwas wie ein sozialdemokratischer Winterschlussverkauf: Die Partei gibt ihre Prinzipien ab. Gratis! Und in einem gewissen Sinne auch umsonst: Eine ÖVP bzw. eine Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ein Außenminister Sebastian Kurz und ein Klubobmann Reinhold Lopatka erhöhen ihre „Wünsche“ ganz einfach. Oder veranstalten eine „Balkankonferenz“ ohne weitere EU-Länder, vor allem aber ohne Griechenland, zu dessen Premierminister Alexis Tsipras Faymann vor gar nicht allzu langer Zeit noch geradezu freundschaftliche Beziehungen pflegte. Eine Spaltung Europas ortete die „Süddeutsche Zeitung“ unter diesen Umständen gar.
Will Faymann auch das schlucken? So weit ist er bereits gegangen: Die Flüchtlingspolitik ist blau und Österreich selbst fast schon dort, wo es sich zu Sanktionszeiten im Frühjahr 2000 befunden hat; als Land nämlich, das von den wirklich entscheidenden Staatskanzleien gemieden wird.
Früher oder später wird sich die ÖVP mit den Freiheitlichen zusammentun.
Selbstverständlich wird Faymann versuchen, auch das zu schlucken. Von einer mitte-links stehenden Sozialdemokratie wird unter diesen Umständen aber bald nichts mehr übrig sein. Früher oder später wird sich die ÖVP mit den Freiheitlichen zusammentun oder die Freiheitlichen nehmen sich als mit Abstand stärkste Partei einen anderen Regierungspartner. Die SPÖ vielleicht? Das wäre jedenfalls ihre einzige Möglichkeit, auch in Zukunft mitzumischen.
Wobei das nicht einmal ganz so unrealistisch ist, wie man glauben könnte: Im Burgenland gibt’s Rot-Blau. Und mit dem neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sitzt bereits ein Abgesandter dieser Koalition in der Bundesregierung. Und überhaupt: Von einem Widerstand gegen diesen Kurs ist in der Sozialdemokratie nichts mehr zu wahrzunehmen. Die Kritiker haben ganz offensichtlich resigniert.