SPÖ in der Mobilisierungsfalle

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ANALYSE. Was soll Wechselwähler noch dazu motivieren, die Sozialdemokraten (und nicht Neos oder Grüne) zu unterstützen? Die Genossen haben keine wirkungsvolle Antwort mehr.

„Ibiza“ war vor dreieinhalb Monaten noch allgegenwärtig, da kürte die SPÖ Pamela Rendi-Wagner zur Spitzen- und Kanzlerkandidatin. Und zwar nachvollziehbarerweise. Nicht nur, weil die Partei noch bei jeder Nationalratswahl seit 1945 eine bzw. einen solchen hatte. Schwarz-Blau war gerade an sich selbst gescheitert. Da hätte es zu einer gewissen „Genug ist genug“-Wendestimmung kommen können, von der Rendi-Wagner bei einem entsprechenden Angebot profitiert.

Diese Wendestimmung ist jedoch ausgeblieben. Und Überhaupt: Das mit der „Kanzlerkandidatin“ ist eher kontraproduktiv geworden. Es macht Rendi-Wagner und mit ihr die gesamte Sozialdemokratie schon im Vorfeld der Wahl zur Verliererin. Dass sie dieses Ziel erreichen kann, kann zwar nicht ganz ausgeschlossen werden, ist aber so unrealistisch, dass kaum ein Mensch daran glauben kann.

Wozu also noch die SPÖ wählen? Diese Frage richtet sich nicht für verbliebene Stammwähler, sondern für viele Wechselwähler. 2017 konnte die SPÖ mit Christian Kern zumindest noch einen amtierenden Regierungschef als Kanzlerkandidat anbieten. Und das entscheidende Motiv für jeden zehnten SPÖ-Wähler, die SPÖ zu wählen, war laut SORA-Befragung ausdrücklich, dass er im Amt bleibt.

Heute ist davon auszugehen, dass Kurz Kanzler bleibt und Rendi-Wagner nicht zum Zug kommt. Wie sollte sie auch? Rot-Grün-Pink ist zu weit von einer Mehrheit entfernt. Die SPÖ müsste stattdessen die ÖVP überholen oder mit der FPÖ koalieren. Beides wird zumindest Rendi-Wagner mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erreichen bzw. tun. Also werden die erwähnten Wechselwähler eher wieder zu den beiden Kleinparteien wandern, die „in“ sind wie noch selten zuvor: Neos und Grüne.

Für die SPÖ besteht vor diesem Hintergrund eine große Gefahr: Weil’s eh schon gelaufen ist für sie, kann sie nicht einmal mehr fix davon ausgehen, auch noch hinter die FPÖ auf Platz drei zurückzufallen, die vor Wahlen traditionell unterschätzt wird. Im Umfragen liegt sie nur knapp vor oder überhaupt gleichauf mit dieser. Peter Hajek von „Unique Research“ weist beiden auf Basis einer soliden Erhebung 20 Prozent aus.

Die Sozialdemokratie muss sich demnach etwas einfallen lassen: Wie gelingt es ihr, Wechselwähler dazu zu bringen, sie und nicht eine der anderen Oppositionsparteien zu unterstützen? Mit inhaltlichen Ansagen ist’s schwer. „Wohnen“ hat sich nicht als wahlbeeinflussendes Thema durchgesetzt. Wenn, dann ist das eher mit dem grünen „Klimawandel“ passiert. Und abgesehen davon kann eben niemand davon ausgehen, dass die SPÖ künftig eine Regierung führen und daher kursbestimmend sein wird.

Das ist ein Dilemma. Die SPÖ steckt in einer völlig neuen Rolle für sie und könnte sich von daher zum Beispiel als entscheidende Oppositionspartei für die kommende Legislaturperiode anbieten. Zumindest mit inhaltlichen Gegenentwürfen. Doch damit hat sie sich schon in den vergangenen eineinhalb Jahren schwer getan.

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Realistischer ist Schadensbegrenzung: Sich all jenen Leuten anbieten, die etwas anderes ablehnen. Zum Beispiel die FPÖ. Wer nicht will, dass die FPÖ bei dieser Nationalratswahl nach Ibiza und x „Einzelfällen“ als Siegerin aussteigt, indem sie (trotz Verlusten) auf Platz zwei kommt, könnte zumindest ein Argument haben, dieses Mal rot zu wählen – nur, damit die FPÖ Dritte bleibt.

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