SPÖ am Abgrund

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ANALYSE. Unter Führung von Rendi-Wagner versucht die Partei plötzlich, eine wachsende Verachtung für Politik zu ihren Gunsten einsetzen. Das kann schwer gut ausgehen für sie.

„Entweder oder“ lautet die Devise: Solange die Bundesregierung keinen Markteingriff vornehme, der Preise senkt, werde es von der Sozialdemokratie keine Zustimmung zu Gesetzen mit Zweidrittelmehrheit geben, verkündete SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner vergangene Woche via Twitter. Nachsatz: Die ÖVP könne ja mit der FPÖ verhandeln, da habe sie zuletzt gute Erfahrungen gemacht.

„Entweder oder“ ist eine Devise, die demokratiepolitisch übel sein kann. Im vorliegenden Fall jedenfalls vermittelt sie eine Art Notstand, der keinen Spielraum mehr zulässt und in dem es ausschließlich ein Problem zu lösen gibt. Natürlich: Rendi-Wagner lässt offen, was genau zur Bekämpfung der Teuerung zu passieren hat. So lange nichts passiert, was in ihrem Sinne ist, schließt sie andererseits aber zum Beispiel Maßnahmen gegen die Klimakrise genauso aus wie zur Korruptionsbekämpfung (Abschaffung des Amtsgeheimnisses). Darauf werden sich die Regierungsparteien unter Garantie nicht einlassen. Sie rufen schon gerne „Fundamentalopposition!“ und tun dabei so als wären sie empört.

Gerade aber wenn Rendi-Wagner der Überzeugung wäre, dass zur Inflationsbekämpfung etwas Einschneidendes geschehen muss, hätte sie sie sich diesen Nachsatz zu Türkis/Schwarz-Blau erspart: Selbstverständlich blinkt die ÖVP nicht nur rechts, sondern geht auch Koalitionen mit der FPÖ ein. Andererseits aber wirkt das so, als würde sich die SPÖ-Vorsitzende ohnehin nichts mehr erwarten von Türkis/Schwarzen.

Was – nebenbei bemerkt – insofern bemerkenswert ist, als sie persönlich zu einer Zusammenarbeit mit diesen nach der nächsten Nationalratswahl tendiert, wissend, dass eine Mehrheit für Rot-Pink-Grün viel weniger wahrscheinlich ist. Doch das ist eine andere Geschichte.

Wichtiger ist, dass die SPÖ ein gefährliches Spiel eröffnet hat. Und zwar verstärkt durch eine Kampagne, die sie ebenfalls vergangene Woche in sozialen Medien eröffnet hat und die unterstreicht, dass sie es auf keine Problemlösungen mehr anlegt. Zu sehen sind Regierungsmitglieder wie Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) oder Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). In seinem Fall heißt es etwa: „Würdest DU diesem Mann ein Anti-Teuerungspaket abkaufen?“

Sehr viele Menschen in Österreich haben aufgrund von Preissteigerungen zu kämpfen. Auch Teile der Mittelschicht spüren, dass sie verlieren oder befürchten, es nachhaltig zu tun. Von der Politik erwartet sich eine Masse nichts mehr. Im Gegenteil. Bei ihr staut sich etwas auf, sie spricht auf Anti-Eliten-Botschaften von Herbert Kickl und der FPÖ an: „Denen da oben seid Ihr egal“, redet er ihnen ein. Die SPÖ unterlässt es, wie er hinzufügen, dass sie die Eliten treten werde, stellt Regierende aber als hoffnungslose Fälle dar, denen man null Vertrauen entgegenbringen darf. Damit riskiert sie, Kickl das Geschäft zu erledigen.

Umso mehr, als sie es in den vergangenen eineinhalb Jahren seit dem Rücktritt von Sebastian Kurz (ÖVP) nicht geschafft hat, eine Bewegung für eine andere Politik zu schaffen. Das rächt sich zunehmend: Nicht mehr sie, sondern Kickl profitiert von schwarz-türkisen Verlusten, indem er eine Bewegung gegen Politik befeuert. These: Die sozialdemokratische Kampagne stärkt ihn dabei – die SPÖ bringt sich dabei nur selbst in noch größere Nöte, zumal sie niemanden hat, der oder die Enttäuschte und Frustrierte so wirkungsstark ansprechen kann wie er.

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