So links ist die ÖVP

ANALYSE. Warum Reinhold Mitterlehner mit seinem Versuch scheitern muss, die Partei in der Mitte zu profilieren. Und warum das ganz besonders auch Sebastian Kurz zu denken geben muss. 

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ANALYSE. Warum Reinhold Mitterlehner mit seinem Versuch scheitern muss, die Partei in der Mitte zu profilieren. Und warum das ganz besonders auch Sebastian Kurz zu denken geben muss.

Die beiden ÖVP-Arbeitnehmervertreter Erwin Zangerl und Hubert Hämmerle hatten offenbar schon länger darauf gewartet, ihrem Ärger über den Kurs der Volkspartei unter Reinhold Mitterlehner Luft machen zu können. Dafür spricht die Vorgangsweise der beiden Arbeiterkammerpräsidenten aus Westösterreich: Sie suchten die Medienöffentlichkeit von sich aus. Zangerl tat dies über eine Aussendung. Und darin holte er gleich einmal zu einem Rundumschlag aus. Mitterlehner wolle die Arbeitnehmer massiv schwächen, so Zangerl, er wolle einen 12-Stunden-Arbeitstag genauso einführen, wie er „wichtige“ Schutzbestimmungen abbauen wolle.

Für den ÖVP-Chef war dies wirklich unangenehm. Immerhin hatte er kurz zuvor, am Freitagvormittag, eine Grundsatzrede gehalten und damit versucht, Flagge zu zeigen. Und dann fallen ihm eigene Parteifreunde in den Rücken; noch dazu die, die schon seinen Vorgänger Michael Spindelegger mit zu Fall gebracht hatten. Das ist kein gutes Omen.

Wichtiger aber noch als dieser persönliche Aspekt ist die Botschaft, die bei dieser Sache für die ÖVP einhergeht: Deutlicher denn je wird, dass es dieser Partei unmöglich ist, Profil zu zeigen. In Sicherheitsfragen mag dies vielleicht noch gehen; aber nur so lange, so lange etwa durch Grenzkontrollen wirtschaftliche Interessen nicht geschädigt werden. Ist das der Fall, erheben sich naturgemäß Unternehmer.

Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern wird’s freuen; das ist ganz nach seinem Geschmack. 

Die ÖVP betrachtet sich nach wie vor als Volkspartei; sie versucht also ein Abbild der gesamten Gesellschaft zu sein. Das mag lange Zeit möglich gewesen sein. Heute wird jedoch erst so richtig sichtbar, wie links sie auch ist:

  • So deutlich, wie Zangerl, hat sich noch kaum ein Sozialdemokrat gegen einen 12-Stunden-Tag ausgesprochen. Kanzler und SPÖ-Chef Christian Kern wird’s freuen; das ist ganz nach seinem Geschmack.
  • Der Ruf nach der Einführung einer dreieinhalb Tage-Woche, wie ihn der Christgewerkschafter Norbert Schnedl erhebt, geht dagegen gar auch Kern zu weit; davon würde er nicht einmal träumen.
  • Freie Marktwirtschaft darf ÖVP-Vertretern zufolge nur sehr, sehr begrenzt möglich sein. Bauernvertretern bereiten Handelsabkommen wie CETA und TTIP größte Schmerzen. „Wir brauchen weder das eine noch das andere. Was wir brauchen ist ein Bekenntnis der Konsumenten und der öffentlichen Hand zu den heimischen Lebensmitteln!“, meint etwa der Kärntner Landwirtschaftskammer-Präsident Johann Mößler.
  • Einer Entrümpelung der Gewerbeordnung steht wiederum die Wirtschaftskammer im Weg. Sie will regeln, was geht.

„Weniger Staat, mehr Privat“, wie Wolfgang Schüssel gepredigt hat, oder ein Plädoyer für die Globalisierung, wie es Reinhold Mitterlehner hält, mag löblich sein. Nur: Mit ihrer Partei war und ist das nicht möglich.

Und das droht auch dem wahrscheinlichen Nachfolger von Mitterlehner, Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP), zum Verhängnis zu werden, sobald er irgendwann beginnt, sich insbesondere auch in wirtschaftspolitischen Fragen zu deklarieren, woran er auf Dauer nicht herumkommen wird: Allein mit „Asyl“ und „Flüchtlingen“ wird möglicherweise eine Wahl zu gewinnen sein, aber keine Regierungspolitik zu machen sein.

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