Schlimmer als türkise Affären

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ANALYSE. Die Krise der Vorarlberger ÖVP ist ein Signal dafür, dass die gesamte Partei dabei ist, tiefer zu fallen als sie vor Kurz lag.

Bei der Buberlpartie hätte man von vornherein skeptisch sei können, spätestens aber seit Ermittlungen laufen und diverse Chats bekannt geworden sind, wundert einen nichts mehr bei den Türkisen. Sie haben nach außen hin irgendetwas inszeniert und nach innen das Gegenteil praktiziert, was – man muss vorsichtig sein bei der Wahl der Worte – weder redlich noch verantwortungsbewusst im Sinne der Allgemeinheit war.

Die „neue Volkspartei“ ist erledigt und der alten geht es nicht gut: Was hatten die Landeshauptleute, von Markus Wallner im Westen bis Johanna Mikl-Leitner im Osten, nicht gehofft, im Lichte von Sebastian Kurz ebenfalls groß strahlen und Wahlerfolge feiern zu können; vor allem aber auch von der Macht auf Bundesebene mitnaschen zu können.

Bemerkenswert ist, dass die ÖVP dabei ist, tiefer zu fallen, als sie vor Kurz lag: In Niederösterreich wird es nach all dem Versagen in der Corona- und Impfpolitik sowie dem Aufkommen der MFG-Liste schier unmöglich für Mikl-Leitner, die absolute Mandatsmehrheit bei der Landtagswahl in spätestens einem Jahr zu halten, die sie 2018 noch verteidigen konnte; die absolute Stimmenmehrheit hatte sie schon damals verloren.

Auch in Niederösterreich hat die ÖVP zudem mit Machenschaften im Halbdunkel zu kämpfen, die, sie will es nicht wahrhaben, in Zeiten wie diesen von einer interessierten Öffentlichkeit unter die Lupe genommen werden, so gut es bei all der Intransparenz halt geht: Was ist zum Beispiel mit diesem Mock-Verein von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka in St. Pölten, der nicht nur von einem Glücksspielkonzern unterstützt wurde, sondern für eine Zeitschrift auch Inserate von Beteiligungsunternehmen des Landes erhielt? Das ist nicht verboten, aber auch nicht unbedenklich. Würde es eine Art „Compliance Regeln“ geben, wäre derlei undenkbar. Sobotka ist auch einer der bedeutendsten Männer der niederösterreichischen Volkspartei.

Wenn es einmal eine gute, alte ÖVP gegeben hat, dann haben jene, die das geglaubt haben, bisher am ehesten nach Vorarlberg gezeigt: Dort seien die Leute nicht nur fleißig, sondern auch ehrlich und anständig. Das war natürlich ein Klischee. Jetzt aber ist es in Bezug auf die Partei nicht einmal mehr das.

In der Vorarlberger ÖVP betrieb der Wirtschaftsbund ein Magazin, in dem regionale Betriebe, aber auch Beteiligungsunternehmen des Landes inserieren durften. Ein Teil der Einnahmen floss an die Partei. „Compliance Regeln“? Ebenso unbekannt wie politische Unvereinbarkeiten. Von Transparenz gar nicht zu reden. Bestätigt wird nur, was sich nicht mehr geheim halten lässt.

Ein ehemaliger, stellvertretender Innungsmeister berichtete in der ZIB2 mit vollem Namen, er sei immer der Ansicht gewesen, dass es bei den Inseraten nicht um Werbung, sondern um „reine Parteienfinanzierung“ gegangen sei. Auch seine Innung sei gedrängt worden: „Da wurden wir auf sehr penetrante Art drangsaliert.“ Das hat etwas von Strukturen, die in einem freien, demokratischen Rechtsstaat nichts zu suchen haben. Erst recht nicht hat es dies: Laut einem ORF-Vorarlberg-Redakteur wurde dem Mann am folgenden Morgen eine Steuerprüfung angekündigt. Selbst wenn es ein „brutaler Zufall“ sein könnte, wie der Redakteur wenig später berichtet: Es handelt sich um ein Signal an alle, die mit dem Gedanken spielen, zu reden, wie das im äußersten Westen so läuft, besser zu schweigen. Sonst könnte es unangenehm werden für sie. Es wirkt schlicht einschüchternd.

Landeshaupt- und -parteiobmann Markus Wallner wies den Vorwurf krimineller Machenschaften gegenüber der APA zurück: Käme das Finanzamt zur Erkenntnis, dass Gelder des Wirtschaftsbundes nicht ordnungsgemäß versteuert wurden, „dann nur, weil man es nicht besser gewusst hat“.

Das muss man sich einmal vorstellen: Wallner ist derzeit auch Vorsitzender der LH-Konferenz. Dem Wirtschaftsbund gehören Kapazunder wie der gegenwärtige Finanzminister Magnus Brunner an und im Vorstand in Vorarlberg sitzen Größen der regionalen Wirtschaft. Sie bewegen sich in Kreisen, in denen man keinen Schimmer von Steuergesetzen haben will? Es wäre beschämend, Wallner baute nur vor – und zwar auch in unzumutbarer Weise gegenüber Bürgerinnen und Bürgern, bei denen eine derartige Ausrede unter Garantie nicht durchgeht bei der Finanz.

Wer auf eine große Zukunft der Volkspartei hofft, hat jetzt ein wirklich großes Problem: Wo soll sie sein? Dass der türkise Traum geplatzt ist, na ja. Es hatte sich um ein luftiges Projekt gehandelt. Verhängnisvoller ist, dass sich auch schwarze Reste, auf die vielleicht noch gesetzt worden ist, so sehr herunterwirtschaften, dass es schwer wird, ohne Sebastian Kurz neu durchzustarten.

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