Schlimmer als in Frankreich

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ANALYSE. In Österreich gibt es nicht nur keine starke Mitte mehr, sondern auch keine Abgrenzung von Rechtsaußen.

In Deutschland gibt es noch eine relativ starke Mitte (CDU) und eine weitgehende Abgrenzung von Rechtsaußen. Eine Koalition mit der rechtsextremen AfD ist zumindest für die bekannten Parteien sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene eher unvorstellbar. Mag sein, dass sich das ändert. Aber das ist der Stand der Dinge. Geht man davon aus, dass hier ein Prozess zum Übleren läuft, dann sind die Verhältnisse in Frankreich schon schlimmer: Dort ist die Mitte weggebrochen. Immerhin aber gibt es bei dem, was davon übrig ist und den Linken noch eine Abgrenzung von Marine Le Pens Rassemblement National: Man unterstützt sich gegenseitig, um Chancen ihrer Leute bei der kommenden Stichwahl zu reduzieren.

Mag sein, dass es fünf nach zwölf ist. In Österreich jedoch ist es schon viel später. Das kann man aus Erfahrung sagen: Bei der Bundespräsidenten-Wahl 2016 hat der damalige ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner betont, keine Empfehlung abzugeben, seine Stimme aber Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen zu geben. Nicht dem Freiheitlichen Norbert Hofer. Es klang logisch: Die ÖVP hatte sich noch als Europapartei gesehen, und Hofer hatte zwischendurch mit einem „Öxit“ gespielt. Außerdem hatte die Volkspartei Wert darauf gelegt, staatstragend zu wirken. Und Hofer hatte warnend gesagt, man werde sich wundern, was ein Bundespräsident alles könne. Es klang, als würde er seine Machtbefugnisse missbrauchen wollen.

Mitterlehner hat sich dadurch, dass er Hofer entgegengetreten ist, parteiintern weiter demontiert. Das aufstrebende Sebastian Kurz-Lager fand das unverzeihlich: Ihm war ein gutes Auskommen mit der FPÖ wichtig. Koste es, was es wolle. Kurz brauchte sie für die Kanzlerschaft, die er anstrebte und zu der es dann 2017, im Jahr darauf, ja auch gekommen ist.

Mittlerweile spricht in der FPÖ nicht nur der Chef, Herbert Kickl, von Remigration und dergleichen. Es ist Parteilinie. Kein Funktionär äußert ein Problem damit, also kann man davon ausgehen, dass dieser Rechtsaußenkurs inklusive Partnerschaft mit der AfD oder auch Viktor Orban in ihren Reihen vom Boden- bis zum Neusiedlersee mitgetragen wird.

Kümmert’s jemanden? In der ÖVP war zuletzt nicht einmal Liederbuch-Affären-Mann Udo Landbauer (FPÖ) ein Hindernis für eine Zusammenarbeit auf Landesebene (NÖ). Auf Bundesebene wird wohl viel vom Ergebnis der Nationalratswahl im September abhängen. In der SPÖ möchte der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil die absolute Mehrheit bei der Landtagswahl im kommenden Winter verteidigen. Sollte sie abhanden kommen, ist Rot-Blau eine Option, die nicht ausgeschlossen ist.

Im Unterschied zu Rassemblement National in Frankreich und AfD in Deutschland hat man die FPÖ in Österreich längst und schon mehrfach an die Macht gelassen. Hält sie trotz Remigrationsvorstellungen, EU-Feindlichkeit und Putin-Freundlichkeit weiter ebensolche und kann hoffen, sie nach der Nationalratswahl auf Bundes- und nach der steirischen Landtagswahl auf Landesebene noch heuer deutlich auszuweiten.

Das ist das eine. Das andere: In Österreich existiert auch das nicht mehr, was eben in Deutschland noch vorhanden ist. Eine Partei der Mitte, die erstens stark ist und sich zweitens nicht hemmungslos am rechten Rand anbiedert. Das ist hierzulande längst vorbei. Wolfgang Schüssel ist als damaliger ÖVP-Chef schon Anfang der 2000er Jahre aus einer Position der Schwäche heraus (Platz drei bei der Nationalratswahl 1999) eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen Jörg Haiders eigegangen. Sein Glück war, dass sie sich, wie später auch an der Seite von Sebastian Kurz, in weiterer Folge selbst zerlegt haben. Aber nur vorübergehend.

Heute ist die FPÖ mit Kickl’scher Ausrichtung auf dem Weg zur bestimmenden Partei. Zumal Teile der SPÖ den Glauben an sich selbst verloren haben. Und zumal die ÖVP unter Kurz eben die Mitte aufgegeben hat, um ebenfalls rechtspopulistisch zu sein – und um sich letzten Endes unter Führung von Karl Nehammer glücklos weiter im Gewerbe der FPÖ zu versuchen bzw. ihr nur beim Aufstieg zu helfen.

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