Schilling, Schilling, Schilling

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ANALYSE. Neben der Grünen werden die EU-Wahlkandidaten der übrigen Parteien kaum wahrgenommen. Das ist ein Phänomen, das zu einem größeren Problem überleitet.

Was die Leute aus irgendeinem Grund interessiert, das googelt ein erheblicher Teil von ihnen. Das kann natürlich auch auf eine Person bezogen sein. Und: Es sagt nichts darüber aus, wie sie zu dieser stehen. Das muss man vorwegschicken, ehe man versucht, eine Auswertung der Google-Suchanfragen für die österreichischen Spitzenkandidaten bei der Europawahl seit Jahresbeginn zu lesen.

Die Daten, die ausgewiesen werden, sind indexiert. 100 steht für die maximale Anzahl der Anfragen für eine Kandidatin oder einen Kandidaten an einem Tag. Alle anderen werden daran bemessen. In unserem Fall wird der Spitzenwert wenig überraschend für Lena Schilling am 8. Mai ausgewiesen. Am Vorabend hatte die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet, dass Schilling aufgrund von Vorwürfen gegen sie in Turbulenzen gerate.

Lena Schilling ist überhaupt ein Phänomen. Sie hatte schon davor sehr viel Interesse ausgelöst: Ende Jänner etwa, als bekannt wurde, dass sie für die Grünen in die EU-Wahl zieht und Anfang März, als öffentlich wurde, dass sie gegenüber dem ORF-Satiriker Peter Klien die Frage nicht beantworten konnte, ob Norwegen Mitglied der Europäischen Union sei.

Alles in allem lässt die Auswertung darauf schließen, dass es für Lena Schilling seit dem 1. Jänner viereinhalb Mal mehr Suchanfragen gab als für die übrigen Spitzenkandidaten zusammen; bzw. dass diese Kandidaten – Reinhold Lopatka (ÖVP), Andreas Schieder (SPÖ), Harald Vilimsky (FPÖ) und Helmut Brandstätter (Neos) – im Vergleich zu ihr kaum wahrgenommen werden.

Gut, könnte man jetzt einwenden, auf den regelrechten Tsunami für Schilling am 8. Mai haben sie gerne verzichtet. Oder: Das sind ja nur Google-Suchanfragen und diese werden eher nur etwas über Jüngere zum Ausdruck bringen. Der Haken: Summa summarum werden es kaum weniger sein, als es zum Beispiel Zeitungsleser gibt.

Es ist im Übrigen ein altes Problem, dass die EU-Wahl an sich auf geringes Interesse stößt. Die Tatsache, dass es diesmal eine höhere Wahlbeteiligung geben dürfte, spricht nicht dafür, dass sich das gerade ändert. Es ist wohl vielmehr so, dass das der erste bundesweite Urnengang seit 2019 ist, bei dem sich eine Masse quasi politisch artikulieren kann – und dass das genützt wird, nachdem sich einiges aufgestaut hat,

Europäische Themen werden ihnen eher nur am Rande angeboten. Neos bemühen sich in einem positiven Sinne darum („Ein Europa, das uns stark macht“), Sozialdemokraten, wenn man so will in einem neutralen („Europa fair gestalten“) und Freiheitliche in einem negativen („EU-Wahnsinn stoppen“). Kommunisten lassen mit dem Hinweis, dass sie die Einzigen seien, die Politikergehälter kürzen wollen, ratlos zurück: Was genau hat das mit europäischer Integration zu tun?

Darum geht es letztlich auch bei Schilling nicht („Herz statt Hetze“) und auch nicht bei der ÖVP, bei der etwa die Listenzweite Angelika Winzig behauptet, dass für sie nur eines zähle in Brüssel: „Oberösterreich“, also ihr Heimatbundesland.

Das ist eine Offenbarung. Beziehungsweise eine Distanzierung von Europa, die einem österreichischen Selbstverständnis entspricht und es daher gezielt anspricht: Wir müssen schauen, dass wir die EU rot-weiß-rot machen. Oder zum Beispiel oberösterreichisch. Man betrachtet sich jedenfalls nicht als Teil eines großen Ganzen und bemüht sich auch nicht darum, wie es sich in unterschiedlichen Politikbereichen – von Wirtschaft über Handel bis Sicherheit – natürlich auch im Sinne Österreichs bestmöglich entwickeln könnte. Europäische Strategien und Perspektiven sind diesem Zugang fremd.

Bei einer EU-Wahl im Lichte von zerstörerischen Kräften im Inneren und von außen ist das eine Katastrophe. Oder die Botschaft, dass einem die Zukunft Europas vollkommen egal ist.

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