BERICHT. Das Ziel, von mindestens 71,4 Prozent als SPÖ-Vorsitzende bestätigt zu werden, kann nicht ernst gemeint sein.
Man kann darüber streiten, ob es ein gutes Zeichen für eine innerparteiliche Demokratie ist, wenn der oder die Vorsitzende mit 95 Prozent oder mehr gewählt wird. Fakt ist: In Österreich handelt es sich um die Regel. Umso bemerkenswerter ist, dass sich SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner nun in einem ZIB 2-Interview für ihre Wiederwahl auf dem Parteitag Ende Juni mindestens 71,4 Prozent zum Ziel gesetzt ist. Das wäre ein Debakel.
Bundeskanzler Sebastian Kurz erreichte bei seiner Kür zum ÖVP-Obmann vor vier Jahren 98,7 Prozent. Auf dieses Niveau brachten es in ihren Parteien auch FPÖ-Chef Norbert Hofer (98,3 Prozent) und Grünen-Sprecher Werner Kogler (99 Prozent). Rendi-Wagner selbst kam vor drei Jahren auf 97,8 Prozent. Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger erzielte 2018 mit 94,8 Prozent etwas weniger.
2014 musste sich Werner Faymann bei seiner Wiederwahl als SPÖ-Vorsitzender mit 83,4 Prozent begnügen. ORF.AT schrieb damals von einem „Warnschuss“ für ihn: „Es ist das schlechteste Ergebnis in der jüngeren SPÖ-Parteigeschichte.“ Zwei Jahre später wurde Faymann bei der Mai-Kundgebung auf dem Wiener Rathausplatz ausgepfiffen, noch vor dem Sommer musste er Christian Kern weichen.
71,4 Prozent würden bedeuten, dass ein größerer Teil der Partei nicht hinter Rendi-Wagner steht. Ihre Ablöse wäre dann wohl eher nur eine Frage der Zeit, sofern sie einer solchen nicht durch einen Rücktritt zuvorkommen würde.
Die 71,4 Prozent kommen freilich nicht irgendwoher: So viel hatte Rendi-Wagner beim Vertrauensvotum erhalten, das sie 2020 in der Partei initiiert hatte, um Führungs- wie Richtungsentscheidungen zu beenden.
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Dass die SPÖ sich nicht vom Fleck bewegt hat – meiner Meinung nach – damit zu tun, dass ihre „Chefin“ keine Chefin ist. Ihrem Wesen nach ist sie überhaupt keine Politikerin und damit völlig ungeeignet, eine Oppositionspartei anzuführen. Sie ist die „Schnell-Reparatur“ nach dem „Unfall“ Christian Kern. Kein Wunder, dass sie ihm in ihrer Art ähnlich ist. Fachlich exzellent, aber in jenen Dingen die ein Parteiführer in seinem Gebetsbuch haben muss, ist sie auf Berater angewiesen.
Wer in einer Führungsposition aber für Kommunikation der „Marken-usp“ Berater braucht, sollte vielleicht nicht gleich zum Arzt, aber jedenfalls seine Profession in Frage stellen. Sie ist leider zur falschen Zeit, am falschen Platz, im falschen Job. Dass sie mit dem Burgenländer „Haudrauf“ und dem Tiroler „Missverständnis“ noch ein paar richtige Klötze am Bein hat, potenziert ihre Probleme.
Ohne einen Wechsel an der Spitze wird die SPÖ weiter an Zustimmung liegen lassen. So wie sie die Pandemie nicht für einen spürbaren Aufwärtstrend nutzen konnte, wird sie auch die zu erwartende Krise am Arbeitsmarkt, im Sozialsystem nicht nützen können.
Kein Morgenrot; zumindest noch nicht ….