Rendi-Wagner macht es sich zu einfach

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ANALYSE. Er reicht nicht, sich zurückzulehnen und darauf zu warten, dass es die Türkisen bei einer Wahl irgendwann zerlegt. Gerade jetzt ist das gefordert, was Vranitzky nach der „Kanzlerinnenrede“ eingemahnt hat.

„In Wirklichkeit muss dieser Auftritt der Anfang einer Intensivperiode sein, in der die Partei sich nicht rühmt, welche Erfolge sie hatte, sondern sagt, was in Zukunft zu tun ist“, sprach der ehemalige Regierungschef Franz Vranitzky (SPÖ) nach der „Kanzlerinnenrede“ von Pamela Rendi-Wagner (SPÖ) in einem Ö1-Interview. Nach wenigen Tagen wäre der Erklärungsbedarf zum ersten Mal groß für sie: Vom Bodensee bis zum Parlament in der Wiener Hofburg haben schwarz-türkise Korruptionsaffären eine neue Dimension erreicht.

Es geht um Inseratenschaltungen, die immer öfter mit Schutzgeldzahlungen gleichgesetzt werden, also mit durchaus mafiösen Praktiken. Es geht um justizinterne Seilschaften bzw. eine Anklageerhebung gegen den vom Dienst suspendierten Leiter der Oberstaatsanwaltschaft Wien, Johann Fuchs, wegen Amtsmissbrauch und Falschaussage vor dem Ibzia-U-Ausschuss. Und es geht um Ermittlungen gegen den (protokollarisch) zweithöchsten Mann im Staat, Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, wegen einer mutmaßlich parteipolitisch motivierten Postenbesetzung. Das ist alles sehr heftig.

Konsequenzen wird es vorerst keine geben. Sobotka hat nichts zu verlieren. Sein Ruf ist ruiniert. Von 100 Befragten erklärten bei einer OGM-Erhebung im Auftrag der APA jüngst 16, sie würden ihm vertrauen. 72 betonten jedoch, ihm kein Vertrauen zu schenken. In Worten: Zweiundsiebzig. Dem Präsidenten des Nationalrats, der der mit Abstand größten Partei angehört und der eine prominente Persönlichkeit im größten Bundesland (NÖ) ist! An einen Rücktritt denkt er nicht. Er regelt sich das vielmehr so: Er betrachtet sich als Opfer bzw. die Ermittlungen als parteipolitisch motiviert. In der ZIB2 meinte er lächelnd, vermutlich stamme die Anzeige von Peter Pilz. Botschaft: Er sieht sich verpflichtet, standhaft zu bleiben und zu kämpfen.

Was hat das alles mit Rendi-Wagner zu tun? Karl Nehammer hat nach mehr als einem Vierteljahr als Kanzler und designierter ÖVP-Obmann gezeigt, dass er nicht in der Lage und auch nicht bereit ist, die ÖVP zu erneuern. Die Grünen mühen sich als Koalitionspartner ab und sind schon froh, wenn sie Schlimmeres verhindern können.

Da kommt die SPÖ ins Spiel: Es reicht nicht, dass Rendi-Wagner am Sonntag erklärt, sie wolle Regierungschefin werden, um sich ab Montag zurückzulehnen und zu warten, bis irgendwann gewählt wird und sie ohne größere Anstrengungen ins Kanzleramt gelangt. Staatspolitische Verantwortung wäre es, sich schon jetzt darum zu bemühen, größeren Schaden abzuwenden, auch wenn die Möglichkeiten einer Oppositionspartei begrenzt sind.

Konkret: Rendi-Wagner wäre zumindest gefordert, dem, was jetzt sichtbar wird, ein Programm für ein anderes Österreich entgegenzuhalten. Wo sind sozialdemokratische Ansätze für ein ordentliches Korruptionsbekämpfungspaket; für eine Abschaffung des Amtsgeheimnisses bzw. die Einführung einer echten Informationsfreiheit; für nachvollziehbare Inseratengeschäfte; für eine transparente Parteienfinanzierung und einen Straftatbestand für illegale Praktiken, der signalisiert, dass hier kein Kavaliersdelikt oder sonstige Lässlichkeit vorliegt – sondern dass von Rücktritt und eben strafrechtlichen Konsequenzen auszugehen ist? Es gibt nichts Wahrnehmbares dazu.

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