Pinkes SPÖ-Dilemma

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ANALYSE. Neos werden immer weitreichende Zugeständnisse machen müssen für eine Regierungsbeteiligung. Attraktiver als jetzt wird eine solche allerdings kaum noch werden können für sie.

Das Dilemma der SPÖ ist, dass ihr Rot-Grün wohl am ehesten entsprechen würde, sich aber nicht ausgeht; dass es keine Mehrheit dafür gibt. Und weil eine Koalition mit der FPÖ nicht in Frage kommt für sie, bleibt ihr letztlich nur eine Wahl: Zusammenarbeit mit der ÖVP oder Opposition.

Neos bekommen gerade eine Ahnung von einem solchen Dilemma. Ihren idealen Partner für eine Koalition gibt es nicht. Es müsste sich um eine ÖVP handeln, in der ein bisschen von Wolfgang Schüssel (Pensionsreform, Aufgabe der Neutralität) sowie Josef Pröll und Reinhold Mitterlehner steckt, die sich zumindest um eine Neuausrichtung der Volkspartei bemüht haben.

Mit der bestehenden ÖVP, in der Landeshauptleute und Kämmerer (schier) mehr denn je zu sagen haben, ist’s für Pinke dagegen schwierig. Mit der SPÖ, die sich unter Andreas Babler Dingen wie einer Ausweitung der Vermögensbesteuerung verschieben hat, die für Beate Meinl Reisinger und Co gar nicht gehen, grundsätzlich ebenfalls. Daher haben sie den ersten Versuch, zu einer Drei-Parteien-Koalition zu kommen, Anfang Jänner auch abgebrochen.

Seither hat sich jedoch viel getan: Man könnte fast meinen, dass Schwarze und Rote froh darüber wären, jüngere, frischere Neos für eine Partnerschaft zu gewinnen. Auch weil es gilt, nicht nur eine Koalition zu bilden, damit Herbert Kickl (FPÖ) von der Macht ferngehalten wird. Es ist unübersehbar, dass die Herausforderungen, die darüber hinaus warten, von Stunde zu Stunde größer werden. Zum Beispiel in der Europa-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik. In Bereichen also, zu denen sich gerade Neos über die Jahre eine Kompetenz erarbeitet haben, sie jetzt gefragt sein könnte.

Jedenfalls könnten die Neos stärker aufzeigen als es den Grünen an der Seite der ÖVP seit 2019 möglich ist bzw. war: Sie sind jetzt mit keinen stolzen Wahlsiegerparteien konfrontiert, die ständig betonten, dass sie nur einen Bruchteil der Stimmen erzielt und daher entsprechend wenig zu melden hätten. Sie müssen auch nicht davon ausgehen, dass sich diese Parteien letztlich demonstrativ abwenden von ihnen, wie es die ÖVP von den Grünen getan hat, um nur ja nicht für Klimaschutz mitverantwortlich gemacht zu werden, der rechts der Mitte unpopulär ist.

Attraktiver könnten die Umstände für eine Regierungsbeteiligung für die Neos kaum werden. De facto werden sie ja auch zur Absicherung der Mehrheit auf parlamentarischer Ebene gebraucht. Ohne sie würde es zwar einen schwarz-roten Überhang von einem Mandat geben, das ist jedoch so wenig, dass es ohne sie auf Neuwahlen in absehbarer Zeit hinauslaufen würde.

Natürlich: Es bleibt eine schwierige Entscheidung für die Pinken. Ob sich die Frage für sie noch einmal stellen würde in den nächsten, sagen wir, zehn Jahren, wenn sie jetzt absagen, ist jedoch fraglich.

Also läuft auch längst das „Namedropping“ für Ministerposten. Und zwar öffentlich. Obwohl es insgesamt sowohl für Medien als auch für die betroffenen Parteien verheerend geworden ist: Was sollen sich zum Beispiel Leserinnen und Leser einer Zeitung denken, die ihnen die gefühlt hundertste „geheime Liste“ seit November präsentiert. Zuerst eine schwarz-rot-pinke, dann eine bestehend aus Experten, dann eine blau-schwarze, wieder eine bestehend aus Experten, schließlich eine schwarz-rote und jetzt neuerlich eine schwarz-rot-pinke? Dem Journalismus kann das nicht guttun.

Und für die Parteien ist es auch übel. Wähler könnten glauben, es gehe ihnen nur um Posten; oder, je öfter die Listen geändert werden, sie seien intern zerstritten, oder … Gestern Nachmittag berichtet der „Standard“ zunächst beispielsweise, Neos-Gründer Matthias Strolz habe sich selbst als möglicher Ministerkandidat ins Spiel gebracht. Wenig später hieß es, er sei ins Spiel gekommen.

Hintergrund: Die Partei braucht offenbar eine:n Bildungsminister:in. Ursprünglich dafür vorgesehen war der Wiener Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr. Bei ihm ist das jetzt aber wegen der Wiener-Wahl am 27. April, bei der er Spitzenkandidat sein soll, nicht so einfach. Daher werden mögliche weitere Kandidaten gesucht, und so ist auch der Name Strolz gefallen, wie auch immer.

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