ÖVP: Von Busek lernen

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ANALYSE. Karl Nehammer wird die Partei irgendwann neu ausrichten müssen oder nur ein Obmann (und Kanzler) des Übergangs bleiben.

Nach dem Tod von Erhard Busek sind faszinierende Nachrufe erschienen, hier zu seinem Wirken in Wien etwa oder hier und hier zu seinem frühzeitigen Engagement für die Demokratiebewegung in damaligen „Ostblockstaaten“. Bundespolitisches war eher kein Thema. Der Mann war ja immerhin ÖVP-Chef und Vizekanzler. Für damalige Verhältnisse jedoch erfolglos. Eine Wahlniederlagenserie der Volkspartei konnte er nicht stoppen, gab es 1994 unter seiner Führung ein Minus von 4,4 Prozentpunkten auf 27,4 Prozent. Laut dem oberösterreichischen Ex-Landeshauptmann Josef Pühringer war er halt „zu gescheit für die Politik“. Das ist ein wichtiger Punkt, um den es weiter unten in diesem Text noch gehen wird.

Zunächst ein Sprung zur heutigen Bundes-ÖVP: Sie befindet sich in einem seltsamen Zustand. Karl Nehammer verwaltet, was nach dem Abgang von Sebastian Kurz übriggeblieben ist. Er ist jedoch anders gestrickt und daher passt das nicht zusammen. Inszenierung, Rhetorik, ja gerne auch Bösartigkeiten gegenüber politischen Gegnern und Minderheiten (Flüchtlinge, sozial Schwache, …) waren kennzeichnend für das Bisherige. Unter Nehammer sind das eher keine Kategorien. Das ist positiv. Nehammer beschreibt andererseits aber eher nur mehr oder weniger treffend, was ist (z.B. beim Ukraine-Krieg) und stolpert schon auch einmal dabei (z.B. bei der Neutralitätsdebatte). Offen bleibt, worauf er hinaus will: Welchen Platz in Europa soll Österreich einnehmen, wohin soll sich die Gesellschaft hierzulande entwickeln, wie schaut es mit Leistung und Solidarität aus, was ist mit Bildung, Klimakrise etc.?

Die ÖVP kann sich nicht darauf verlassen, lediglich frustrierte Freiheitliche bei Laune zu halten, die Kurz einst gewonnen hat bzw. mit deren Stimme er große Wahlerfolge erzielt hat. Schon in der Pandemie ist sie diesbezüglich gewarnt worden: Beschränkungen und vor allem auch die Impfung haben nicht nur in Waidhofen an der Ybbs zu einer Abwanderung geführt. Mit der Ukraine-Krise könnten weitere Wählerbewegungen einhergehen – abhängig von wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen.

Bei einer Neuausrichtung könnte sich die Partei ein Beispiel an Busek nehmen. Und zwar in Bezug auf Akzente, die dieser gesetzt hat: Noch zu Zeiten des Kalten Kriegs hat er Demokratie und (Mittel-)Europa gepflegt, ist persönlich immer wieder nach Polen und in andere Länder gereist, um Leute wie Lech Walesa in einer Phase zu bestärken, in der noch die Kommunisten das Sagen hatten. Das lässt sich so nicht wiederholen. Es geht jedoch darum, ein Thema zu verfolgen, dass von grundsätzlicher Bedeutung ist; bei dem es nicht um den nächsten Wahlerfolg geht. Für ein solches Thema zu brennen, das macht größere Politik aus.

Wahlerfolge sind trotzdem möglich: Busek hat die ÖVP in Wien auf bis zu 35 Prozent geführt (bei der Gemeinderatswahl 1983). Auch das lässt sich kaum wiederholen. Man sollte sich jedoch das „Wie“ anschauen: Busek hat eine neue bürgerliche Politik gemacht. Er hat mit seinen „bunten Vögeln“ auf Umweltschutz gesetzt und ist damit angekommen in der eher linken Großstadt.

Insofern war es eine Auszeichnung, dass Pühringer erklärte, er sei zu gescheit für die Politik: Für die bildungsnähere Urbanität hat es genau gepasst. In bildungsferneren, ländlichen Regionen verfing es nicht. Das schafften für die ÖVP bei Nationalratswahlen erst Wolfgang Schüssel (2002) und Sebastian Kurz (2017 und 2019).

Was das für die ÖVP bedeutet? Der gesellschaftliche Wandel schreitet voran, gerne wird von einer Bildungsrevolution gesprochen, weil der Bildungsstand der Bevölkerung steigt und steigt. Relative Mehrheiten sind vielleicht noch möglich, wenn man das ignoriert. Darum bemüht sich gerade in Folge der Coronakrise aber schon die FPÖ, wird der Platz zusätzlich durch die MFG ziemlich eng.

Sprich: Wenn die Volkspartei eine Zukunft mit Chancen darauf haben möchte, das Kanzleramt längerfristig zu halten, wird sie nicht umhinkommen, sich neu auszurichten und auf Megatrends zu setzen, wie es Busek in der Kommunalpolitik einst beim Umweltschutz getan hat.

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