ÖVP: Neun plus eins

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ZAHLEN ZUM TAG. Türkis hat sich in der ÖVP nicht durchgesetzt. Es gibt aber auch keine rein schwarze Landesorganisation mehr. Das sagt viel aus über die Partei: Sie ist CDU/CSU hoch x.

Die Marke ÖVP ist tot. Die Bundes- sowie acht von neun Landesorganisationen bezeichnen sich als Volkspartei, kurz VP. Bei der neunten Landesorganisation, der oberösterreichischen, findet sich auf der Website noch die Bezeichnung ÖVP. In der Regel tritt sie jedoch als OÖVP in Erscheinung.

Auffallend ist außerdem, wie sich die Verselbstständigung innerhalb der ÖVP insgesamt verstärkt: Sebastian Kurz hat die Partei türkis gemacht. Drei Landesorganisationen sind nachgezogen: Wien, Kärnten und das Burgenland. Ein Blick auf die Website vermittelt jedoch den Eindruck, dass man mit dieser Farbe im Burgenland wieder sparsamer umgeht und dafür wieder mehr Schwarz einsetzt. Die Wiener sowie die Kärntner Volkspartei, die Anfang März eine Landtagswahl zu schlagen hat, sind türkis geblieben.

Bei den sechs übrigen Landesorganisationen gibt es unterschiedliche Farben oder auch Kombinationen im Logo oder in der Selbstdarstellung auf der Website: Von schwarz-rot in Vorarlberg über rot-weiß in Tirol, dunkelblau in Salzburg und blau-gelb in Niederösterreich bis hin zu grün-weiß in der Steiermark.

Das sagt was: Die ÖVP tickte immer schon föderalistisch, in ihr tun Länder traditionell, was ihnen gefällt. Zunehmend läuft es aber nicht nur auf ein CDU/CSU-Modell hinaus, sondern geht weiter: Auf Bundesebene ist die Partei quasi neun plus eins. Sosehr das Gemeinsame farblich fehlt, so dünn ist es insgesamt. Jeder Teil ist sich selbst am nächsten, Sinn und Zweck der Volkspartei im Bund ist es lediglich, all ihren Organisationen maximal mögliche Interessensdurchsetzung zu gewährleisten.

Darum haben die Landeshauptleute vor sechs Jahren die gesamte Partei gerne Sebastian Kurz übergeben. Er sollte Wahlerfolge und das Kanzleramt bringen. Mehr wollten sie nicht.

Der Preis dafür ist, dass die Seele der gesamten Partei, eine inhaltliche Ausrichtung, weiter verloren ging: Wohin will sie Österreich bringen, was versteht sie noch unter Leistung, Solidarität etc.? Derlei ist dem Ziel Stimmenmaximierung durch populäre Zugänge geopfert worden. Jetzt hält es jede Landesorganisation, wie es ihr etwa vor einer Landtagswahl zweckmäßig erscheint.

Treppenwitz: Sebastian Kurz hat die ÖVP als Bewegung bezeichnet. Eine solche ist sie vom Boden- bis zum Neusiedlersee jedoch weniger denn je. Karl Nehammer bleibt die Aufgabe schuldig, wieder eine programmatische Gemeinsamkeit zu definieren. Vielleicht wird er in einer Rede zur Lage der Nation, die er am 10. März als Kanzler halten wird, etwas liefern. Angekündigt ist jedenfalls eine Vorstellung davon, was 2030 (wie) sein soll.

Für die ÖVP wäre es wichtig: Die Regierungsbeteiligung ist eine Art Klammer für sie in ihrer Vielfalt, sie bringt allen Zugang zu Macht, also Nutzen. In Opposition wäre diese Klammer weg. Die Partei müsste befürchten, zu verlieren, was sie zusammenhält.

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