Kickl wird überschätzt

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef gehört ernstgenommen. Wie schon in der Pandemie und bei der Bundespräsidenten-Wahl sieht man nun aber auch in Kärnten, wo seine Grenzen sind.

Wenn am kommenden Sonntag Nationalratswahl wäre, könnte die FPÖ 30 Prozent nahekommen und würde damit wohl klar auf Platz eins landen. Trotz Herbert Kickl. Aber das hat Tradition: Unter seinem Vorgänger Heinz-Christian Strache war es nicht anders. Auch dieser hatte miserable Persönlichkeitswerte, doch seine Partei lag zumindest zum Jahreswechsel 2016/2017 in Umfragen vorne. Dann kam Sebastian Kurz.

Auch bei Kickl liegt möglicher Wahlerfolg nur am Rande an eigener Stärke. Er erkennt Themen, die einer Masse unter den Nägeln brennen und versteht es, sie so zu behandeln, dass es für viele geradezu alternativlos erscheint, die Blauen zu wählen. Wichtiger ist jedoch dies: Im Moment haben weder SPÖ noch ÖVP ein überzeugendes Programm, geschweige denn eine Persönlichkeit an der Spitze, die größeren Zuspruch erfährt.

Und: Im Moment hat Kickl ein Monopol für eine Art Unmut- oder Protestbewegung rechts der Mitte. Das boostert ihn. Er ist jedoch angreifbar: In der Pandemie ist ihm vorübergehend die impfgegnerische Liste MFG gefährlich geworden. Zur Erinnerung: Bei der oberösterreichischen Landtagswahl kam sie vor eineinhalb Jahren auf mehr als sechs Prozent, während Freiheitliche um fast elf Prozentpunkte einbrachen. Es ist ein Glück für Kickl, dass die Liste mittlerweile implodiert ist.

Noch bei der Bundespräsidenten-Wahl im vergangenen Herbst schaffte es der FPÖ-Chef nicht, Mitte-Rechts-Wähler geschlossen für seinen Parteikandidaten Walter Rosenkranz zu überzeugen. Dieser musste sich mit 17,7 Prozent begnügen. Die Mitbewerber Gerald Grosz und Tassilo Wallentin kamen zusammen auf 13,7 Prozent.

Jetzt zeichnet sich in Kärnten eine Ernüchterung ab für Kickl und seine Leute: Laut einer aktuellen Umfrage könnten sie bei der Landtagswahl Anfang März ihren beträchtlichen Stimmenanteil von 23 Prozent lediglich halten. Groß gewinnen können sie offenbar nicht, weil ihnen Gerhard Köfer, Ex-Sozialdemokrat, Impfpflichtgegner der ersten Stunde und populärer Bürgermeister von Spittal an der Drau, zusetzt mit seiner Gruppe „Team Kärnten“.

Das Team Kärnten ist gewissermaßen ein Überbleibsel der Partei von Frank Stronach. Sie hat die Freiheitlichen unter Strache bei einer Nationalratswahl vor zehn Jahren um einen größeren Erfolg gebracht.

Herbert Kickl, 54, muss Konkurrenz rechts der Mitte fürchten. Beziehungsweise einen wie Sebastian Kurz oder Hans Peter Doskozil (SPÖ), seine Stärke wird überschätzt. Was nicht heißt, dass man ihn nicht ernst nehmen sollte: Wenn er keinen Konkurrenten bekommt, kann er nach einem Wahlerfolg der Umsetzung von Ankündigungen, wie der Aufhebung der Sanktionen gegen Russland oder der Errichtung einer „Festung Österreich“, allemal nahekommen.

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