ANALYSE. Das schwarz-rot-pinke Regierungsprogramm unterscheidet sich deutlich vom blau-schwarzen. Vorzugeben, es wolle „das Richtige“, ist jedoch unter der Würde von ÖVP, SPÖ und Neos.
„Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“, lautet der Titel des Regierungsprogramms, auf das sich ÖVP, SPÖ und Neos verständigt haben. „Das Richtige“ klingt fast wie „Das Alternativlose“ oder „Das Normale“. Es mag ein Begriff sein, der für eine Koalition werben soll, die schon einmal als „Zuckerl“ abgetan wird. Es ist aber eben unter der Würde der drei Parteien, die nicht die Absicht haben, sich dumpfem Populismus hinzugeben. Vor allem aber entspricht es auch nicht dem Inhalt. Die Ausführungen auf den meisten der 211 Seiten sind alles andere als klar. Vieles bleibt ungewiss und offen und kann daher schon gar nicht als richtig oder auch falsch bezeichnet werden.
Vielleicht hat der Titel auch damit zu tun, dass es insbesondere für die ÖVP wichtig ist, FPÖ-Wähler zu umwerben. Das sollte man nie vergessen: Die Partei hat gerade über 400.000 Wähler an die FPÖ verloren. Nicht wenige von ihnen könnten noch immer enttäuscht sein, dass sie Herbert Kickl nicht zum Kanzleramt verholfen hat. Daher das Signal an sie: „Wir machen jetzt eh trotzdem das Richtige.“ Also Asylbremse, Aussetzung des Familiennachzugs etc.
Ungeachtet dessen bleibt Schwarz-Rot-Pink aber vor allem dies: nicht Blau-Schwarz, also nicht Kickl. Das zeigt sich, wenn man sich anschaut, was jetzt für Medien geplant ist und was die FPÖ laut dem geleakten Verhandlungsprotokoll von Anfang Februar für sie vorgehabt hätte. Das ist kein Vergleich: Jetzt soll zum Beispiel die bestehende Förderstruktur „mit dem Fokus auf Qualitätsjournalismus, Treffsicherheit, Zukunftsfähigkeit und Medienvielfalt weiterentwickelt“ werden. Ziel sei ein „resilienter Medienstandort“. Kickl hingegen hätte die Förderungen gerne breiter gestreut – auf Kosten von Qualitätsjournalismus und zugunsten von Fake-News-Schleudern.
Oder Europapolitik: „Souveränität statt Zentralismus“ lautete die Ansage von Kickl. So hätte die Überschrift des Kapitels im Regierungsprogramm lauten sollen. Eine Absage an eine Fortsetzung des Integrationsprozesses im Rahmen der EU. Stattdessen hätte der Nationalstaat wieder aufleben sollen.
Derlei ist im schwarz-rot-pinken Regierungsprogramm nicht enthalten. Schon in der Präambel heißt es: „Als Land im Herzen Europas bekennen wir uns zu einer starken und besseren Europäischen Union, die wir mit Blick auf die großen Herausforderungen zukunftsorientiert mitgestalten wollen.“
Und: „Klares Bekenntnis zu und aktive Beteiligung an einer starken gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP), im Einklang mit unserer Verfassung.“ Wobei: Im Weiteren bleibt dann gerade hier, bei einer Frage, die von Woche zu Woche größer wird, vieles offen: Wie stellt man sich in Wien die GSVP im Allgemeinen und die Verteidigung Europas im Besonderen unter den geänderten Umständen vor? Welche Möglichkeiten sieht man, im Falle des Angriffs auf ein oder mehrere Mitgliedsländer der Union Beistand zu leisten, wie es laut EU-Vertrag bereits vorgesehen ist?
Dazu gibt es keine Antworten. Auch nicht andeutungsweise. Es ist wie in Bezug auf die Miliz, bei der sich die ÖVP weiter nicht zu einer Wiedereinführung verpflichtender Übungen durchringen mag, was bedeutet, dass das Heer grundsätzlich nur bedingt einsatzfähig ist. Also steht im Regierungsprogramm bloß: „Um die volle Einsatzbereitschaft des mobil gemachten Bundesheeres möglichst rasch wiederherzustellen, wird, insbesondere was die personelle Befüllung der Miliz betrifft, im Hinblick auf den unabdingbaren Fähigkeitsaufbau in der militärischen Landesverteidigung eine Gruppe aus Expertinnen und Experten zur Erarbeitung von Alternativmodellen eingesetzt. Ebenso wird die verstärkte Übungstätigkeit sichergestellt.“ Aber wie und auf welcher Basis? Auf freiwilliger? Oder mag man vielleicht doch lieber die Wehrpflicht abschaffen und ein Berufsheer einführen?
Auch wenn das jetzt alles sehr weit geht: „Nicht Kickl“ wird auf Dauer kaum reichen. Wesentlich wäre auch ein Gegenmodell, insbesondere zu Europa und nicht zuletzt zu Fragen der Sicherheit. Das fehlt hier (noch).