Nehammers Vorspiel

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ANALYSE. In der Bundeshauptstadt lässt sich das Coronavirus weniger gut eindämmen. Das wird auch den Wien-Wahlkampf ÖVP vs. SPÖ prägen.

Dass die jüngste Zahl der COVID-19-Infektionen in Wien auf ein Schnittstellenproblem zurückzuführen ist, ist erstens bezeichnend und zweitens bedeutungslos. Die Datenlage, für die Bund, Länder und Gemeinden zuständig sind, ist beschämend. Vieles fehlt, anderes muss immer wieder korrigiert werden. Für das weitere Krisenmanagement verheißt das nichts Gutes: Wie will man wirkungsvoll agieren, wenn man nicht genau weiß, was gerade Sache ist? Das ist schwer möglich.

Hier geht es jedoch um ein ganz anders Problem: In den meisten Bundesländern gibt es höhere Infektionsraten als in Wien. Im Unterschied zu diesen ist die Ausbreitung in Wien (vorerst) aber nicht zum Erliegen gekommen. In den vergangenen sieben Tagen ist die Zahl bestätigter Infektionen um 7,3 Prozent gestiegen. Zum Vergleich: In der Coronahochburg Tirol handelte es sich nur um 0,2 Prozent.

Das kann viele Gründe haben: „Soziale Distanz“ ist in einer Millionenstadt schwerer einzuhalten als etwa im Paznauntal (ganz ohne Touristen). Auch gibt es hier große Spitäler, Schulen und Altersheime. Wie auch immer: Die Zuwachsraten befinden sich nicht auf einem alarmierenden, aber auf einem ernstzunehmenden Niveau.

Der ÖVP reicht das: Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) lässt seit Wochen keine Gelegenheit aus, Medien zu informieren, dass ihm das Sorgen bereite. Und dass er Wien über Mitarbeiter des Landeskriminalamts gerne behilflich wäre beim Containment.

Das hat eine besondere Qualität: Erstens, wenn es hier wirklich Probleme gibt, ist es die Pflicht von Nehammer und anderen Mitgliedern der Bundesregierung, dafür zu sorgen, dass sie gelöst werden. Dafür gibt es Instrumente wie Weisungen, Verordnungen oder auch Klagen. Pressearbeit ist in diesem Zusammenhang eher nur kontraproduktiv. Zweitens, als es in Tirol wirklich alarmierende Entwicklungen gegeben hatte, war von Nehammer nichts Vergleichbares zu vernehmen. Das führt zu Drittens bzw. einem naheliegenden Schluss: Hier geht es um Parteipolitik. Tirol ist schwarz bzw. türkis, Wien rot. Und in Wien wird voraussichtlich im Oktober gewählt. Sprich: Der Wahlkampf ist eröffnet.

Zunächst jedoch ein Einschub: In Tirol heißt es, wenn es Missstände gegeben habe, dann seien sie nicht der Landes-, sondern der mittelbaren Bundesverwaltung im Land anzulasten. Der Bund hat im schwarz/türkis dominierten Land jedoch zu lange weggeschaut. In Wien ist das nun anders – da schaut man sehr genau hin, um es parteipolitisch zu kommentieren.

Das lässt einen ziemlich brutalen Wahlkampf befürchten. Allein schon, wenn die Zuwachsraten in Wien nicht gegen null tendieren – dann lässt sich die türkise Stadt-Land-Geschichte wiederbeleben, wonach man in Wien eben weniger diszipliniert ist, die Politik ein bisschen schlampiger und die Menschen weniger distanziert sind zueinander.

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