Nehammer, Drexler und Wallner haben verloren

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ANALYSE. Mehr noch als Mikl-Leitner steht Haslauer für eine unmissverständliche Botschaft: Wer ÖVP wählt, hat Kickl im Gepäck. Das ist eine Katastrophe für die Volkspartei, es vertreibt letzte Bürgerliche.

Anhänger der Pendeltheorie können beruhigt bleiben: Im Moment gibt es eine extreme Bewegung nach rechts. Herbert Kickl macht im Wahlerfolgsrausch keinen Hehl mehr daraus, ein autoritärer Volkskanzler werden zu wollen. Ausdrückliches Vorbild: Viktor Orbán. Die ÖVP glaubt im verzweifelten Ringen um dieselben Wähler wiederum, Kickl nacheilen zu müssen – und tut es auch.

Erst Johanna Mikl-Leitner in Niederösterreich, jetzt Wilfried Haslauer in Salzburg. In seinem Fall hat das größere Folgen: Er war eher noch ein Schwarzer; einer der bürgerlichen Mitte, der vermittelt hat, dass ihm Kickl eindeutig zu weit geht. Der sich außerdem von Schwarz-Blau in Niederösterreich insofern distanziert hat, als er etwa die Deutschpflicht in Schulpausen mit der rhetorischen Frage ablehnte, ob als nächstes der Englischunterricht abgeschafft werde.

Heute kann man nicht ausschließen, dass Haslauer auch der Abschaffung des Englischunterrichts zustimmen könnte. Ohne weitere Bemühungen um eine Alternative hat er sich jedenfalls auf den Weg zu Schwarz-Blau gemacht. Klar: Er hat parteiintern nicht mehr viel zu melden, konnte der Tendenz dorthin nichts mehr entgegensetzen. Umso weniger könnte er zum Beispiel einem Fremdsprachenverbot entgegensetzen.

Ein solches Schicksal zeichnet sich auch für die nächsten ÖVP-Politiker ab, die spätestens im Herbst 2024 eine Wahl zu schlagen haben: Bundeskanzler Karl Nehammer sowie die Landeshauptleute Christopher Drexler (Steiermark) und Markus Wallner (Vorarlberg).

Ihr Problem: Sie laufen Gefahr, dass man ihnen kein Wort mehr glaubt im Hinblick auf Koalitionsoptionen. Und sie machen es nicht besser, wenn sie sich diesbezüglich lieber nicht äußern. Im Gegenteil: Dann muss man erst recht davon ausgehen, dass sie sich prinzipienlos auch mit Freiheitlichen zusammentun würden. Nicht einmal eine eidesstattliche Erklärung könnte ihnen helfen.

Sie werden ja – Stand heute – das Schicksal teilen, das Haslauer ein Stück weit hat: Sie werden Wahlniederlagen zu verantworten haben. Nehammer, ausgehend von den 37,5 Prozent, die Sebastian Kurz der ÖVP beim letzten Mal beschwert hat, eine dramatische, aber auch Wallner und Drexler keine kleine. Durchwegs zeichnen sich starke Verluste an erstarkende Freiheitliche ab. Durchwegs wird es daher einen so großen Druck geben, eine Koalition mit diesen zu bilden, dass sie sich diesem erst recht nicht widersetzen werden.

Sofern sie überhaupt wollen. Ihr zweites Problem ist, dass sie bisher mit keiner Silbe erkennen lassen haben, worauf es für sie ankommt in der Politik. Oder was zum Beispiel „Staatstragend“ für sie heißt. Das ist mit der erwähnten Prinzipienlosigkeit gemeint. Nehamer hat sich bereits Viktor Orbán um den Hals geworfen, da kann er nichts daran auszusetzen haben, wenn sich Kickl diesen zum Vorbild nimmt.

Anhänger der Pendeltheorie können vor diesem Hintergrund eben beruhigt bleiben: Die ÖVP wird aufgrund dessen, was Mikl-Leitner und mehr noch Haslauer geliefert haben, in noch größere Wahlniederlagen laufen. Wer eine radikale FPÖ ablehnt, die mit dem Bulldozer gegen eine demokratische, offene Gesellschaft vorgeht, weiß jetzt, dass er nicht ÖVP wählen darf. Sonst läuft er Gefahr, bitter enttäuscht zu werden. These: Bürgerliche Reste werden aus der Partei verschwinden.

Allein: Zunächst wird das alles Kickl und den Seinen nützen. Das ist der Haken an der Pendeltheorie: Bis wann sich eine Gegenbewegung gebildet hat, die die Mehrheitsverhältnisse wieder zur Mitte rücken kann, ist nicht absehbar. Man denke nur an den Zustand von SPÖ, aber auch Neos und Grünen. Soll heißen: Es kann Jahre dauern, in denen eine Realverfassung nach ungarischer Art entsteht.

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