Missachtung des Parlaments

ANALYSE. Schon als ÖVP-Chef hat Sebastian Kurz irritierende Signale gesetzt. Jetzt macht er damit weiter. 

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ANALYSE. Schon als ÖVP-Chef hat Sebastian Kurz irritierende Signale gesetzt. Jetzt macht er damit weiter.

Am 15. Oktober hatten wir keine Kanzler-, sondern eine Nationalratswahl. Das mag banal klingen, muss jedoch betont werden. Weil das erst deutlich macht, wer ganz oben steht und auf wen alles zurückgeht. Beziehungsweise wer wem gegenüber verantwortlich ist. Und wer letzten Endes wirklich am meisten legitimiert ist, Macht auszuüben: der Nationalrat.

Folglich ist es nicht egal, ob ein Regierungsmitglied vor dem Nationalrat erscheint oder nicht. Wann die Abgeordneten über entscheidende Schritte informiert werden. Ob sich Minister vorstellen oder nicht. Oder wer ihr Präsident ist. All das sind ganz entscheidende Dinge, die zum Ausdruck bringen, wie sehr die verfassungsmäßig vorgesehene Ordnung akzeptiert wird.

Was das betrifft, gibt es seit Jahrzehnten gewisse Missstände. Einmal sind sie größer, einmal geringer. Unter Kanzler Werner Faymann (2008 bis 2016) beispielsweise waren sie größer. Der Sozialdemokrat war alles andere als ein ausgewiesener Förderer des Parlamentarismus. Unter seinem Nachnachfolger Sebastian Kurz droht sich das nun jedoch zuzuspitzen.

Zu irritierend sind allein schon die Signale seit dem 15. Oktober. Allen voran die Nominierung von Elisabeth Köstinger für das Amt der Nationalratspräsidentin Anfang November. Schon damals war Kurz auf dem Weg ins Kanzleramt, und schon damals bestand die Möglichkeit, dass er Köstinger als eine seiner engsten Vertrauten mit in die Regierung nehmen würde. Sprich, dass sie dieses wichtige Amt nur vorübergehend ausüben würde. Dass Kurz dennoch nicht davon absah, sie wählen zu lassen, beschert ihm den Vorwurf, das Amt geringzuschätzen.

All das spricht dagegen, dass Kurz ein Parlament wünscht, dass selbstbewusst agiert.

Umso mehr als er nun mit dem bisherigen Innenminister Wolfgang Sobotka einen Mann als Nationalratspräsidenten durchsetzt, der aufgrund der Weigerung St. Pöltens, ihn quasi zurückzunehmen, ganz offensichtlich versorgt werden muss; und der noch nicht einmal über eine nennenswerte Erfahrung als Abgeordneter verfügt.

All das spricht dagegen, dass Kurz ein Parlament wünscht, das selbstbewusst agiert. Doch es geht noch weiter: Darüber, dass er nach seiner Angelobung zuerst Brüssel informiert, bevor er sich dem Nationalrat stellt, kann man nur in einer Hinsicht streiten; es lagen zwei Tage dazwischen, die genützt werden wollten. Protokollarisch jedoch ist es ein Unding; da hat das Hohe Haus ganz eindeutig die erste Adresse zu sein.

Und dass nicht vorgesehen war, dass sich in der ersten Nationalratssitzung nach der Angelobung sämtliche Minister persönlich den Abgeordneten präsentieren, ist ebenfalls sehr seltsam: In seinem Demokratiepaket hat Kurz vor fünf Jahren noch vorgeschlagen, dass sich Minister zunächst einem Hearing durch die Mandatare stellen sollten. Das ist nun nicht nur nicht der Fall, sie stellen sich nicht einmal unmittelbar danach. Dabei gilt auch für sie: Sie sind dem Nationalrat gegenüber verantwortlich; dieser kann sie jederzeit durch ein Misstrauensvotum absetzen.

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