Plädoyer für die „Wiener Zeitung“

ANALYSE. Wenn Medienpolitik von Unternehmensentlastung spricht, sie selbst aber nicht nur qualitäts-, sondern vor allem auch marktfeindlich agiert, dann ist das schon sehr widersprüchlich.

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ANALYSE. Wenn Medienpolitik von Unternehmensentlastung spricht, sie selbst aber nicht nur qualitäts-, sondern vor allem auch marktfeindlich agiert, dann ist das schon sehr widersprüchlich.

Von Medienvielfalt kann man in Österreich nicht reden. 14 Tageszeitungen sind zu wenig. Vor allem in der Zusammensetzung, also bei konzentrierten Eigentumsverhältnissen und einem sehr stark entwickelten Boulevardsegment, um es vorsichtig zu formulieren. Schon bald könnten es freilich nur noch 13 Zeitungen sein: Setzt die neue Regierung ihr Programm konsequent um, sind die Tage der „Wiener Zeitung“ gezählt.

Zugesetzt wird dem seit 1703 und damit ältesten noch erscheinenden Blatt der Welt im Regierungsprogramm mehrfach. Im Kapitel „Bürokratieabbau“ heißt es beispielsweise: „Streichung der Pflichtveröffentlichung in der Wiener Zeitung“. Und im Kapitel „Gesellschats- und Unternehmensrecht“: „Entfall der Veröffentlichungspflicht von Eintragungen im Firmenbuch und sonstigen vom Firmenbuchgericht vorzunehmenden Veröffentlichungen im „Amtsblatt der Wiener Zeitung“ (vgl. §§ 10, 277 ABs. 2 UGB).“

„Damit ist die Wiener Zeitung tot“, schreibt Harald Fidler im „Standard“: Ihre Einnahmen von rund 20 Millionen Euro gingen „zum großen Teil“ auf die Schaltungen im Amtsblatt zurück, die eben wegfallen sollen. Wobei man jetzt natürlich nicht an einem ziemlich antiquierten Veröffentlichungswesen festhalten kann, nur um damit eine Zeitung am Leben zu erhalten; das kann wirklich niemand verlangen.

Die Regierung macht keine Anstalten, daran etwas zu ändern, wenn man von der Ankündigung absieht, eine Medien-Enquete abzuhalten.

Die Geschichte hat jedoch einen Haken: Die Unternehmensentlastung, um die es sich hier handelt, geht auf Kosten eines qualitativ hochwertigen Journalismus, den die Kollegen von der Wiener Zeitung liefern. Also wäre die Medienpolitik gefordert. Sie jedoch agiert ansonsten nicht nur qualitäts-, sondern zu allem Überdruss auch noch marktfeindlich. Allein im dritten Quartal 2017 gingen unter dem Titel „Inserate“ 39 Millionen Euro ziemlich willkürlich an diverse Medien. Mehr als elf Millionen Euro entfielen auf den Boulevard. Das ist für diesen zumindest existenzsichernd. Und das ist auch eine Art Staatsintervention. Dass die Presseförderung, die nach gesetzlichen Kriterien vergeben und qualitätssichernd sein soll, heuer insgesamt nur 8,7 Millionen Euro ausmacht, ist jedenfalls bezeichnend: Reichweite um jeden Preis wird eher unterstützt als Qualität. Das Ergebnis ist ein politisch gewollter Zustand.

Die Regierung macht keine Anstalten, daran etwas zu ändern, wenn man von der Ankündigung absieht, eine Medien-Enquete abzuhalten. Dabei könnte sie in diesem Bereich echte Größe zeigen. Auch gegenüber ihren Vorgängerinnen. Die Inserate sind schließlich genauso wenig ihren Akteuren allein anzulasten, wie die fragwürdige Personalpolitik bei der Wiener Zeitung, die Andrea Hodoschek im „Kurier“ skizzierte; da haben sich vor allem auch Sozialdemokraten vergangen. Anders ausgedrückt: Wenn in Zukunft jeder Steuereuro, der in die Medienbranche fließt, dies auf einer gesetzlichen Grundlage und mit dem Ziel tut, Qualität, Vielfalt und Unabhängigkeit zu stärken, wäre viel gewonnen. Also wird man schwarz-blaue Medienpolitik auch daran messen können.

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