Mikl-Leitner in Not

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ANALYSE. Wenige Monate vor der Landtagswahl reicht es für die Niederösterreicherin nicht mehr, so zu tun, als gehöre sie einer anderen Partei an. ÖVP-Affären machen ihr zu schaffen, nicht zuletzt wegen Sobotka.

„Sebastian Kurz war schon immer eine starke Persönlichkeit“, meinte die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vor vier Jahren in einem „Kurier“-Interview, nicht ohne zu betonen, dass er „einiges“ von ihr gelernt habe. Immerhin ist sie es gewesen, die ihn als Innenministerin 2011 in die Bundespolitik eingeschult hat. Damals hat er seine gut zehnjährige Laufbahn auf dieser Ebene als Integrationsstaatssekretär in ihrem Ressort begonnen.

Die beiden haben einander sehr viel zu verdanken: Ohne Zutun von Mikl-Leitner wäre Kurz 2017 nicht so einfach ÖVP-Chef und schließlich Spitzenkandidat bei der Nationalratswahl geworden; hätte er es letztlich also ungleich schwerer gehabt, das Projekt Ballhausplatz zu realisieren. Im maßgeblichen Bundesparteivorstand, der seinerzeit die Weichen stellte, hat sie das mit Abstand größte Gewicht, ist die ÖVP doch zu einem erheblichen Teil Niederösterreich. Umgekehrt hat er der ÖVP zu einem vorübergehenden Höhenflug verholfen, von dem auch Mikl-Leitner bei der Landtagswahl 2018 profitiert hat.

Heute freilich leidet niemand so sehr an der „Ära“ Kurz und allem, was bisher darauf folgte, wie Johanna Mikl-Leitner: Sie ist die nächste, die sich einer Wahl stellen muss.

Kurz fügt der Volkspartei immensen, ja noch unabsehbaren Schaden zu. Wobei es nicht um Schuldfragen geht. Es reichen schon Chats und öffentliche Auseinandersetzungen mit Behauptungen und Praktiken, seine Zeit in der Politik betreffend. Das straft alles Gerede von einem „neuen Stil“ und vielem anderem Lügen.

Mit Blick auf die Landtagswahl Anfang 2023 versucht Mikl-Leitner schon länger, sich davon abzusetzen, indem sie mehr denn je ihre Landesparteiorganisation als nicht türkis und auch nicht schwarz, sondern als blau-gelb darstellen lässt; indem sie diese nicht als Volkspartei, sondern als „Niederösterreich-Partei“ bezeichnen lässt. Und indem sie sich möglichst nicht äußert zu all den Affären, um erst gar nicht – z.B. als Mitglied des Bundesvorstandes einer Partei, die als Verband selbst Beschuldigte ist – mit in die Verantwortung genommen zu werden. Mikl-Leitner konzentriert sich stattdessen darauf, zu betonen, dass sie für Niederösterreich und seine Menschen arbeite, für einen eigenen Strompreisrabatt und jüngst einen leichteren Zugang zu Wohnbaukrediten sorge. Sie bemüht sich hier um eine eigene Welt, in der ein „Miteinander“ praktiziert werde – und in der nach Möglichkeit ausgeblendet wird, was in Wien passiert.

Bisher war Mikl-Leitner recht gut unterwegs mit dieser Strategie. Zumal sie im Unterschied zu ihren Parteifreunden in Tirol mit keinem „Ischgl“ konfrontiert ist und auch keine Gegner in den eigenen Reihen sowie keine Mitbewerber darüber hinaus hat, die sie offen in ihrer Position als Landeshauptfrau herausfordern würden, hätte sie bei einem Urnengang schon am vergangenen Sonntag zwar nicht zugelegt, wohl aber keine zehn Prozentpunkte verloren. Vielleicht wäre es ihr sogar gelungen, die absolute Mehrheit in der Landesregierung zu halten. Derzeit hält sie bzw. ihre ÖVP mit knapp 50 Prozent der Stimmen bei der Landtagswahl 2018 immerhin sechs von neun Mitgliedern; da gibt es einen ordentlichen Puffer.

Die nunmehrigen Aussagen von Thomas Schmid, aber auch die Reaktionen von Sebastian Kurz darauf, ändern jedoch vieles für Mikl-Leitner. Sie muss damit rechnen, dass ihr Wahlkampf durch so vieles überschattet wird, was derzeit aufgewärmt, vor allem aber verschärft wird. Ihr setzt zu, dass mit Wolfgang Sobotka auch ein prominenter Niederösterreicher belastet wird. Zur Erinnerung: Schmid behauptet, auf Wunsch von Sobotka Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut oder der Alois-Mock-Stiftung in St. Pölten sowie der Erwin-Pröll-Stiftung ebendort verhindert zu haben. Sobotka weist dies zurück.

Aber das Problem bleibt. Und zwar doppelt: Mit Sobotka ist ein amtierender ÖVP-Spitzenpolitiker belastet. Das durchkreuzt die Strategie, so zu tun, als gehe es bei den Affären nur um Vergangenes. Sobotka sitzt zudem auf einem niederösterreichischen Mandat im Hohen Haus. Realpolitisch muss sich Mikl-Leitner (als Landesparteiobfrau) auch daher mit Konsequenzen auseinandersetzen; abgesehen davon, dass sie als Wahlkämpferin so oder so an einer Lösung interessiert sein muss.

Was zum zweiten Problem für sie überleitet: Mit Sobotka steht mehr denn je auch Niederösterreich im Fokus. Dort gibt es nicht nur das Mock-Institut, das trotz Vereinsauflösung auf seiner Website nach wie vor trotzig behauptet, dass „was Neues“ entstehe. Es herrscht umfassende Intransparenz mit verschachtelten Konstruktionen im Land, die – wie etwa hier bei der „Aktion Schutzengel“ – dazu einladen, ausgeleuchtet zu werden und es jetzt mit größerer Wahrscheinlichkeit wohl auch getan werden.

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