Kurz schlägt seinen wichtigsten Wahlkampf

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ANALYSE. Der junge Altkanzler hat allen Grund, sich zu verteidigen. Wie er es macht, zeigt, dass er mit der Politik nicht abgeschlossen hat.

„Litigation-PR (etwa „Öffentlichkeitsarbeit im Rechtsstreit“), auch strategische Rechtskommunikation oder prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit ist eine Form der Pressearbeit, bei der die Kommunikation nach außen vor, während und nach juristischen Auseinandersetzungen gesteuert wird. Ziel der Litigation-PR ist es, (…) das Ergebnis der juristischen Auseinandersetzung mit Hilfe der Öffentlichkeit zu beeinflussen und gleichzeitig Schäden an der Reputation des Mandanten zu vermeiden.“ (Quelle: Wikipedia)

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist schwer belastet. Thomas Schmid, sein ehemaliger Helfer, sagte gegenüber der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (sinngemäß) aus, im Auftrag von Kurz für die Veröffentlichung erwünschter Umfragewerte in der Tageszeitung „Österreich“ sowie, quasi zur Abgeltung, die Schaltung von Inseraten des Finanzministeriums ebendort gesorgt zu haben („Beinschab-Tool“). Was nicht nur die Blattmacher zurückweisen, sondern auch Kurz. Aber wie.

In einer ersten Mitteilung auf Facebook patzte er Thomas Schmid an: „Thomas Schmid sagt in seinen jetzigen Aussagen selbst, dass er in seinen Chats Menschen wiederholt belogen hat und er jedem oft das erzählt hat, was er hören wollte.“ Soll wohl heißen: Man muss Zweifel haben bei diesem Menschen.

Tags darauf legte Kurz umfassend nach: Laut Ö1-Morgenjournal führte er mehrere Hintergrundgespräche mit Journalistinnen und Journalisten. Inhalt: Eine Aufzeichnung bzw. das Transkript eines Telefonats, das er vor einem Jahr mit Schmid führte. Kurz äußerte sich damals verwundert darüber, dass ihm beim „Beinschab-Tool“ eine aktive Rolle zugeschrieben wird. Schmid hatte damals keine eindeutige Erklärung dafür, er widersprach jedenfalls nicht im Sinne seiner späteren Aussage gegenüber der WKStA.

Für Kurz-Anwalt Werner Suppan ist diese Aussage daher widerlegt, ist die Aufzeichnung des Telefonats „eine Bombe“. Kurz selbst schrieb auf Facebook: „Diese (Aufnahme; Anm.) entlarvt nicht nur, dass Thomas Schmid der WKStA die Unwahrheit gesagt hat. Sie lässt auch tief in den Charakter eines Menschen blicken, der gegen andere falsche Vorwürfe erfindet, in der Hoffnung, selbst straffrei als Kronzeuge davonzukommen. Durch dieses Tonband ist sein Kartenhaus aus falschen Anschuldigungen nach weniger als 24 Stunden in sich zusammengestürzt.“

Punkt 1: Die Aufnahme selbst ist der Öffentlichkeit unbekannt. Publiziert und den Journalisten bei den Hintergrundgesprächen präsentiert wurde ein Transkript. Punkt 2: Man kann nicht definitiv sagen, dass Schmid gegenüber der WKStA die Wahrheit gesagt hat. Man sollte jedoch vorsichtig sein, ihm das Gegenteil zu unterstellen. Er möchte Kronzeuge werden, um sich eine allfällige Haftstrafe zu ersparen. Ob er Kronzeuge wird, ist offen. Werden kann er es nicht, wenn ihm die WKStA draufkommt, ihn belogen zu haben. Sprich: Er hat sehr gute Gründe, die Wahrheit zu sagen.

Kurz behauptet dennoch, dass seine Anschuldigungen nach weniger als 24 Stunden in sich zusammengestürzt seien. Nun kann man nachvollziehen, dass er das als Betroffener, für den ebenfalls sehr viel auf dem Spiel steht, so wahrgenommen haben möchte. Es geht jedoch um mehr: Kurz ist hier nach wie vor Politiker. Wie als ehemaliger Kanzler bemüht er sich um Meinungsbildung und durchaus auch Stimmungsmache. Persönlich steckt er sogar in seinem größten Wahlkampf.

Seine Möglichkeiten sind enorm: Wenn er ruft, schickt noch immer fast jede Redaktion einen Vertreter, eine Vertreterin. Auf Facebook hat er 980.786 Follower. Zum Vergleich: Es gibt in Österreich nur eine Zeitung, die mehr Leserinnen und Leser hat (die „Krone“ mit 1,7 Millionen – und sie ist ihm wohlgesonnen).

Nun wird Sebastian Kurz natürlich wissen, dass er über die öffentliche Meinung keinen Druck auf die WKStA ausüben kann, wie er es in der Politik bei „Freunden“ und Mitbewerbern anstellen konnte. Sie wird eher „nur“ extrem sorgfältig bleiben. Kurz geht es also um etwas anderes: um seinen Ruf. Er möchte erreichen, dass, was auch immer kommt, eine Mehrheit davon überzeugt ist, dass er sich nichts zu Schulden kommen lassen hat. Er sorgt schon vor, auch für die Zeit danach.

ÖVP-Chef wird er kaum noch einmal werden können. Mit der Politik abgeschlossen hat er jedoch nicht, wie er jüngst mit seinem Buch und der Werbung in Form von unzähligen Interviews dazu bewiesen hat. Ein ernstzunehmender Faktor bleibt er im Übrigen trotz allem: Parteien, darunter vor allem die türkise bzw. (in den meisten Bundesländern) schwarze bzw. (in NÖ) blau-gelbe, befinden sich in einer Krise. Auch Institutionen wie das Parlament, das Kurz ohnehin geringschätzt („nicht meins“), haben ein Vertrauensdefizit. Er dagegen hat noch immer sein Talent, Wahrnehmungen zu beeinflussen und für nicht wenige überzeugend zu wirken. Laut Ö1-Morgenjournal tat er das nach Einschätzung anwesender Journalisten etwa auch beim Hintergrund-Gespräch, in dem es ihm darum ging, Schmid zu widerlegen. Das sagt was.

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