Macht allein

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ANALYSE. Zum Wahlkampfabschluss wird die ÖVP von ihrem Umgang mit Korruptionsaffären eingeholt. Er steht für so vieles und macht die Partei, die sich als starke Mitte ausgibt, unglaubwürdig.

Es wäre schön, wenn es allen Politikerinnen und Politikern um ein gutes Österreich und das Ziel gehen würde, nachhaltig möglichst viele Menschen dafür zu gewinnen. Erfolgreich Wahlen schlagen müssen sie ja auch noch.

Ein zentrales Problem ist jedoch, dass es eine Partei gibt, die seit Jahrzehnten in der Regierung ist und davon ausgehen kann, es zu bleiben. Als wäre es in der Verfassung genao so verankert. Vielleicht trägt es jedenfalls dazu bei, dass Leute, die sich für die Partei engagieren, schlicht zynisch agieren.

Sebastian Kurz war einst nicht erfreut über Regierungspläne, die Nachmittagsbetreuung an Schulen auszubauen. Einem Vertrauten schieb er bekanntlich: „Gar nicht gut!!! Kannst du das aufhalten?“ Und: „Kann ich ein Bundesland (dagegen) aufhetzen?“ Kurz waren die Kinder egal. Ihm war wichtig, dass die damalige SPÖ-ÖVP-Koalition scheitert und so der Weg frei wird für ihn, der dann ja auch wirklich kam, einen Wahlsieg einfuhr und eine türkis-blaue Regierung bildete.

Dieses Beispiel drängt sich darum auf: Es ist Teil größerer Affären, denen sich die Karl Nehammer-ÖVP nicht stellen mag; die sie mit aller Kraft niederbügeln will. Dabei kennt die Partei, die sich als „starke Mitte“ ausgibt, offenbar keine Grenzen: Dieser Tage ist bekannt geworden, dass sie sehr konkrete Pläne für ein Zitierverbot aus Ermittlungsakten hatte. Auch Haft für Journalisten sollte unter Umständen möglich werden.

Das erinnert stark an ungarische Verhältnisse, also das Regime, das Viktor Orban führt, und in dem es keinen Platz für Medien gibt, die berichten, was ist. In dem Redakteuren signalisiert wird, was von ihnen erwartet wird und was sie in ihrem eigenen Interesse und wohl auch im Sinne ihrer Angehörigen „besser“ unterlassen; wer mag schon einen Partner oder ein Elternteil hinter Gittern.

Von Orban ist es nicht weit zu Kickl und von Kickl zur ÖVP: Nehammer schließt eine Zusammenarbeit mit dem Obmann der FPÖ aus. Aber wenn’s vermeintlich nicht anders geht? Florian Klenk vom Falter hat unlängst auf X geschrieben, er tippe darauf, dass die ÖVP nach der Wahl lange verhandelt mit der SPÖ, um dann festzustellen, dass es nicht gehe. Klickl werde dann Klubobmann bleiben, um den Weg für Türkis-Blau freizumachen. dieSubstanz.at betrachtet es hier als „Illusion“, davon auszugehen, dass Kickl das tun könnte. Aber das ist ein anderes Thema. Bemerkenswert ist, dass ein PR-Berater, der sich an Nehammers „Mitte“-Inszenierung beteiligt, Klenk folgendes antwortete: „Ziemlich gut gedacht …!“

Wenn Karl Nehammers „Sparringspartner“ @RosamWolfgang das so kommentiert, kann man davon ausgehen, dass diese Variante eine sehr ernsthafte Überlegung im innersten Kreis des ÖVP-Chefs ist. pic.twitter.com/kTJoHEHra5

— Armin Wolf (@ArminWolf) September 23, 2024

Da war er wieder dieser Zynismus, der so umfassend ist: Die ÖVP, die kein ernsthaftes Budget- und Wirtschaftsprogramm hat, die seit einer Ewigkeit nur davon redet, die Steuer- und Abgabenquote zu senken und Bürokratieabbau zu betreiben, die im Übrigen damit beschäftigt ist, Korruptionsaffären vergessen zu machen und die zwischendurch den Slogan ausgibt „Tradition statt Multikulti“, diese Volkspartei kann nicht glaubwürdig Mitte sein. Sie ist alles, einmal rechts, einmal populistisch – was ihr halt helfen könnte, an der Macht zu bleiben und das Kanzleramt zu behalten.

Beziehungsweise kaum bis gar nicht zuzutrauen ist ihr, dass sie im Hinblick auf mögliche Koalitionsvarianten auf Parteien setzt, die inhaltlich wenigstens noch etwas wollen. Zum Beispiel Neos. Das Schicksal der Grünen ist diesbezüglich eine Botschaft: Sie hat sich die ÖVP in einer Zeit zum Partner gemacht, als sie glaubte, sich mit einem Wahlergebnis von 37,5 Prozent allerhand leisten zu können. Auch das Zulassen von wenig Populärem wie der CO2-Bepreisung. Nachdem es der ÖVP nicht mehr gut gegangen war und Nehammer von Kurz übernommen hatte, war es bald vorbei damit. Autoland statt Klimaschutz, war dann angesagt. Ganz Österreich sollte letzten Endes erfahren, dass die Grünen keinen Platz mehr haben an der Seite der Volkspartei. These: Das wäre bei Neos, die unter anderem Pensionsreformen wollen, nichts anders.

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