Kurz pokert hoch

ANALYSE. Beim #Kopftuchverbot kommt das Politikverständnis des Kanzlers und ÖVP-Vorsitzenden sehr gut zum Ausdruck: Mehrheiten werden über die Öffentlichkeit erzeugt, nicht am Verhandlungstisch.

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ANALYSE. Beim #Kopftuchverbot kommt das Politikverständnis des Kanzlers und ÖVP-Vorsitzenden sehr gut zum Ausdruck: Mehrheiten werden über die Öffentlichkeit erzeugt, nicht am Verhandlungstisch.

NEOS-Chef Matthias Strolz hat sich das wohl anders vorgestellt: Gleich nach der Nationalratswahl hatte er in Erwartung einer schwarz-blauen Koalition jedenfalls seine Bereitschaft erklärt, Verfassungsmehrheiten auf parlamentarischer Ebene zu ermöglichen. Hintergrund: Österreich leidet nicht zuletzt auch darunter, dass sehr viele Dinge nur dann geändert werden können, wenn zumindest zwei Drittel der Nationalratsabgeordneten ihre Zustimmung gewähren; und ÖVP und FPÖ brauchen dazu eben Hilfe aus den Reihen der Opposition.

Doch zurück zu Strolz: Nach herkömmlichem Denkmuster ist er davon ausgegangen, dass Schwarz-Blau auf ihn zukommen wird, um darüber zu verhandeln, wie man die eine oder andere Verfassungsmehrheit erreichen könnte. Wobei naturgemäß auch gewisse NEOS-Vorstellungen berücksichtigt werden müssten. Und zumal diese Regierung angetreten ist, Österreich nachhaltig zu reformieren, hätte man auch erwarten können, dass Strolz zu einer ganz wichtigen Rolle kommt. Ein Irrtum, wie sich zunehmend herausstellt.

In den ersten Monaten ihrer Amtszeit hat die Regierung noch keinen wahrnehmbaren Anlauf genommen, um sich mit Strolz (oder den Sozialdemokraten, die sich ebenfalls dazu anbieten würden) zusammenzusetzen. Worüber man sich wundern muss: Sind gar keine so tiefgreifenden Veränderungen geplant? Wie auch immer: Jetzt, bei der eher nur symbolischen Frage eines Kopftuchverbots für Kindergarten- und Volksschulmädchen, nimmt die Regierung einen Anlauf.

Kalkül: Verweigern sich die Sozialdemokraten, bescheren sie sich ein größeres Problem. 

Aber wie: „Wir sehen keine Notwendigkeit, in Verhandlung zu treten“, teilt Kurz mit. Soll heißen: NEOS und Sozialdemokraten sind „eingeladen“ zuzustimmen. Wobei Kurz andeutet, dass er davon ausgeht, dass besonders die Sozialdemokraten keine andere Wahl haben: Bei dem, was sich „vor allem in Wien abspielt“ (gemeint sind offensichtlich bestimmte Zustände an Kindergärten und Volksschulen in der Bundeshauptstadt); und überhaupt, angesichts der öffentlichen Meinung. Verweigern sie sich unter diesen Umständen, bescheren sie sich ein größeres Problem.

Dieser Stil ist für den Kanzler nicht ohne Risiko: Er entspricht der eines fortgesetzten Wahlkampfes. Und ein solcher kann auf Dauer nicht gut ausgehen: Irgendwann werden die wirklich großen Reformen, die eine Verfassungsmehrheit erfordern, unausweichlich; und dann wird die Opposition auf diesen Umgang mit ihr wohl oder übel zurückkommen.

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