Kurz ohne Richtlinienkompetenz

ANALYSE. Der Bundeskanzler erfährt gerade, dass bei einem eigenwilligen Koalitionspartner auch Zwangsmittel wirkungslos wären. 

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ANALYSE. Der Bundeskanzler erfährt gerade, dass bei einem eigenwilligen Koalitionspartner auch Zwangsmittel wirkungslos wären.

Vielleicht wollte Sebastian Kurz im Nationalratswahlkampf nur demonstrieren, dass er ein Macher ist, als er eine Richtlinienkompetenz für den Regierungschef forderte. Vorgesehen ist eine solche nun jedenfalls nicht. Aus nachvollziehbaren Gründen. Schon die Einführung würde den Koalitionspartner dazu zwingen, zu signalisieren, dass er im Fall des Falles nur Befehlsempfänger ist. Was einer gewissen Selbstentmündigung gleichkommen würde.

Und überhaupt: Auch wenn Sebastian Kurz nun trotzdem eine Richtlinienkompetenz hätte, sie würde ihm rein gar nichts bringen, die parteiübergreifende Regierungszusammenarbeit endlich in Schwung zu bringen.

Würde sie der Kanzler gegen ihren Willen dazu verpflichten, wäre das der Anfang vom Ende einer Koalition „auf Augenhöhe“.

Eine erste Möglichkeit, sie einzusetzen, wäre theoretisch die Abschaffung der Notstandshilfe bzw. die Einführung eines Vermögenszugriffs bei den Langzeitarbeitslosen. Da hat die freiheitliche Sozialministerin Beate Hartinger-Klein in bemerkenswerter Beharrlichkeit betont, dass das für sie nicht in Frage komme. Obwohl es genau so aus dem schwarz-blauen Programm für diese Legislaturperiode herausgelesen werden kann. Wie auch immer: Der Konflikt ist noch nicht ausgestanden. Hartinger-Klein hat als Vertreterin einer Partei, die sich selbst wiederum gerne als Vertreterin des kleinen Mannes darstellt, sehr gute Gründe für ihre Haltung; die Reform würde der FPÖ mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu sehr schaden. Also muss sie auch von sich aus entscheiden dürfen, ob sie das in Kauf nimmt oder nicht. Würde sie der Kanzler gegen ihren Willen dazu verpflichten, wäre das der Anfang vom Ende einer Koalition „auf Augenhöhe“. Und damit auch der Koalition insgesamt.

Kurz hätte den Rücktritt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer damit nicht erwirken können.

Bei allem weiteren, was der Regierung zuletzt zu schaffen gemacht hat, wäre eine Richtlinienkompetenz so oder so nicht einsetzbar: Kurz hätte den Rücktritt des niederösterreichischen FPÖ-Spitzenkandidaten Udo Landbauer damit nicht erwirken können; das ist eine parteiinterne Angelegenheit. Genau so, wie er deutschnationale Burschenschafter nicht aus den Reihen der Freiheitlichen ausschließen könnte. Oder verhindern könnte, dass Norbert Hofer eine Abschaffung der ORF-„Zwangsgebühren“ verlangt, nur weil er in einem Fernsehbeitrag nicht vorgekommen ist.

Und so weiter und so fort. Kurz erfährt gewissermaßen, was er im Fall Landbauer und den Wiener Neustädter Germanen zunächst nicht sehen wollte: Dass nämlich nicht nur gesetzliche Grenzen und Möglichkeiten eine Rolle spielen. Sondern auch die Wahrnehmung und Pflege einer politischen Kultur und Verantwortung, die Bereitschaft, vernünftig zu sein. Ist das nicht gewährleistet, hat man als Partner ein echtes Problem; weil man dann ziemlich hilflos ist.

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