BLOG FÜR VIENNA.AT. Die Europawahl hat gezeigt: Der ÖVP-Chef ist unschlagbar. Der Triumph seiner Partei ist allein ihm zuzuschreiben.
Dieser Urnengang hat den Titel „Europawahl“ getragen, ist in Wahrheit aber eine „Nationalwahl“ gewesen, die ganz im Zeichen der „Ibiza-Affäre“ und ihrer Folgen stand – vom Ende der schwarz-blauen Koalition, der Ankündigung einer vorgezogenen Nationalratswahl im Herbst und der Debatte über einen Misstrauensantrag gegen Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Ergebnis: Kurz hat auf allen Linien gewonnen, er war Regierungschef, ist Regierungschef und wird wohl auch längerfristig Regierungschef sein – ganz egal wie die Abstimmung über einen Misstrauensantrag im Hohen Haus ausgeht; sie kann allenfalls nur eine Unterbrechung bringen. Das lässt sich auf Basis der Trendprognosen für den Ausgang der Europawahl ung’schaut sagen.
Den EU-Wahlkampf hatte Sebastian Kurz schon vor zwei Wochen, also vor Veröffentlichung des „Ibiza-Videos“, übernommen. Mit seiner Klage über zu viel „Bevormundung“ durch Brüssel hat er den großen Europafreund Othmar Karas, der eigentlich Spitzenkandidat seiner Partei gewesen wäre, vergessen gemacht. Kurz hat damit insbesondere potenzielle FPÖ-Wähler angesprochen – und zum Teil ganz offensichtlich auch gewonnen. Die „Ibizia-Afäre“ ist so gesehen nur noch eine kräftige Draufgabe in seinem Sinne gewesen.
Die türkise ÖVP geht unter diesen Umständen quasi als Senkrechtstarterin in den Nationalratswahlkampf. Sie hat gezeigt, dass die allgemeine Stimmungslage zum größeren Teil auf ihrer Seite ist und dass man davon ausgehen kann, dass die Führung des Landes dauerhaft bei Sebastian Kurz bleibt.
Ja, dauerhaft: Kommt die ÖVP bei der Nationalratswahl in Richtung 40 Prozent, kann sie theoretisch zwischen drei oder vier Koalitionspartnern wählen; nämlich zwischen FPÖ, SPÖ, NEOS oder, sofern sie ihr Comeback auch auf nationaler Ebene fortsetzen können, Grünen.
So rennt die SPÖ fix in ein Debakel hinein.
Genau das leitet auch über zum sozialdemokratischen Wahldebakel: Im Unterschied zur ÖVP hat die Partei von Pamela Rendi-Wagner nicht von der FPÖ-Krise profitieren können. Sie hat – bewusst zynisch formuliert – das Kunststück zusammengebracht, von einem extrem niedrigen Niveau von 24,1 Prozent (EU-Wahlergebnis 2014) ausgehend, nicht deutlich zuzulegen. Im Gegenteil. Bei den Genossen ist damit Feuer am Dach: So rennen sie fix in ein Debakel bei der Nationalratswahl hinein.
Unter Christian Kern hatte es die SPÖ bei der Nationalratswahl 2017 zumindest geschafft, Mittel-Links-Wähler zu angeln. Doch nicht einmal das gelingt ihr heute. Grund: Die Grünen kommen wieder: Nach der ÖVP sind sie die zweite große EU-Wahlsiegerin. Ihr Niedergang scheint gestoppt zu sein, jetzt müssen sie nur noch eine Spitzenkandidatin oder einen Spitzenkandidaten für den Herbst finden: Wobei sie kaum anders können, als wieder mit Werner Kogler ins Rennen zu gehen. Zu ihm gibt es schließlich keine Alternative, die auch nur annähernd an ihn herankommt.
Bei der FPÖ kann man sich allenfalls wundern, dass sie nicht noch stärker verloren hat: Gut möglich, dass es ihr mit Norbert Hofer und Herbert Kickl an der Spitze gelingt, ein Debakel wie nach Schwarz-Blau I im Jahr 2002 abzuwenden. Wundern kann man sich auch über die NEOS: Sie haben bei der EU-Wahl eine Warnung bekommen: Ist die ebenfalls noch bürgerliche ÖVP stark, können sie nicht mehr abheben.
Aufatmen in eigener Sache wird indes Wiens Bürgermeister und SPÖ-Chef Michael Ludwig. Er ist nach Bekanntwerden des „Ibiza-Videos“ der Versuchung widerstanden, gleich zu einer Wahl zu schreiten, um von einer vermeintliche FPÖ-Krise zu profitieren. Abgesehen davon, dass diese Krise gar nicht so groß werden könnte, wie zunächst erwartet, hätte eine Gemeinderatswahl parallel zur Nationalratswahl möglicherweise auch viele Wienerinnen und Wiener dazu gebracht, nicht nur auf Bundes-, sondern auch auf Gemeindeebene die ÖVP zu unterstützen – und zwar nicht zuletzt auf Kosten der SPÖ.
Dieser Text ist von Johannes Huber für VIENNA.AT geschrieben worden. Dort ist er auch zunächst erschienen (Link dazu).