Koalition: Kern ohne Option

ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende hat sich nicht zuletzt auch selbst in eine denkbar schlechte Position gebracht. 

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ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende hat sich nicht zuletzt auch selbst in eine denkbar schlechte Position gebracht.

Wie die Nationalratswahl am 15. Oktober ausgehen wird, kann niemand sagen. Auch an dieser Stelle können wir uns nur mit der Ausgangslage beschäftigen. Sie aber ist für einen Mann sehr ungünstig; für SPÖ-Chef Christian Kern nämlich. Wie und vor allem mit wem er nach diesem Urnengang Kanzler bleiben könnte, um etwa den „Plan A“ durchzusetzen, ist schleierhaft. Wobei er nicht zuletzt auch selbst zu dieser misslichen Lage beigetragen hat: Die Fortsetzung der Großen Koalition ist von ihm de facto ausgeschlossen worden. Rot-Grün-Pink, das er laut dem Geschäftsführer seiner Partei, Georg Niedermühlbichler, angestrebt hat, geht sich eher nicht aus. Und bei Rot-Blau gibt es ein grundsätzliches Problem; das wäre für die Sozialdemokratie in der Bundeshauptstadt eine Katastrophe. Doch eines nach dem anderen.

Mag sein, dass Kern am 12. Mai nur eine Drohung ausgesprochen hat. Sie jedoch war unmissverständlich: „Wenn uns die ÖVP den Stuhl vor die Tür stellt, bedeutet das auch das Ende für eine rot-schwarze Zusammenarbeit für sehr lange Zeit“, warnte er den designierten Bundesobmann der Volkspartei, Sebastian Kurz, sich in Neuwahlen zu stürzen. Jetzt gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: Kern hält Wort. Oder er bricht sein Wort. Doch das würde ihm wohl fast so sehr nachhängen wie dem einstigen ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel die Bildung einer schwarz-blauen Koalition, obwohl er angekündigt hatte, als Dritter, der er 1999 mit seiner Partei geworden war, in Opposition zu gehen.

Man kann nur entweder Rot-Grün-Pink oder Rot-Blau anstreben; zu widersprüchlich sind die Ansätze.

Blieben zwei andere Varianten: Rot-Grün-Pink und Rot-Blau. Wobei eine Mehrheit für Rot-Grün-Pink nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich ist. Damit sie zustande kommt, dürften ÖVP und FPÖ in Summe kaum zulegen. Abgesehen davon kann man sich nicht beide Optionen offenlassen: Man kann nur entweder Rot-Grün-Pink oder Rot-Blau anstreben; zu widersprüchlich sind etwa gesellschafts- und integrationspolitische Ansätze.

Und Kern hat sich aus strategischen Gründen bereits in Richtung Rot-Blau bewegt, nachdem er (laut Niedermühlbichler) als zu weit links stehend wahrgenommen wurde; und zumal in einigen Bundesländern, wie Kärnten, der Steiermark oder dem Burgenland, die meisten Wähler für ihn wohl im freiheitlichen Lager zu holen sein dürften. Das jedoch könnte unterm Strich auf ein Nullsummenspiel hinauslaufen: In Städten ist nämlich alles ein bisschen anders, wie man etwa bei den Bundespräsidenten-Wahlen im vergangenen Jahr gesehen hat. Dort gibt es, wenn nicht gar eine linke, dann zumindest eine starke Mehrheit gegen rechts.

Die Wiener SPÖ kann ihre Potenziale am ehesten dann ausschöpfen, wenn sie sich als Bollwerk gegen die FPÖ inszeniert.

Womit wir in Wien angelangt wären: Die dortige Sozialdemokratie kann ihre Potenziale am ehesten dann ausschöpfen, wenn sie sich als Bollwerk gegen die Freiheitlichen inszeniert. Doch auch darüber hinaus hatte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) 2015 gute Gründe, die Zusammenarbeit mit den Grünen fortzusetzen: In immer mehr Bezirken haben die Freiheitlichen ihre besten Zeiten hinter sich; dort werden immer größere Bevölkerungskreise grün. Eine rot-blaue Koalition auf Bundesebene würde so gesehen nicht nur Häupls Bemühungen durchkreuzen, den eher FPÖ-freundlichen Michael Ludwig als seinen Nachfolger zu verhindern: Es würde mit der Wiener SPÖ auch die letzte große Landesorganisation der Partei in ein ungünstiges Eck im Hinblick auf die nächste Gemeinderatswahl stellen. Sie könnte dann jedenfalls nicht mehr darauf setzen, als Heinz-Christian-Strache-Verhinderungspartei zu punkten.

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