Kleines Lexikon der Inseratenkorruption

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BERICHT. Wie Parteien und Politiker in einem Land mit höchster Parteienförderung und hohen Politikerbezügen auch noch Geld als VerlegerInnen machen.

Zugegeben, „Inseratenkorruption“ ist ein hartes Wort. Es ist jedoch so: Zum einen können auch Praktiken, die von laschen Strafbestimmungen nicht erfasst werden, korrupt sein. Zum anderen ist es durch einen der höchsten Repräsentanten des Staates gedeckt. In einem Interview mit „Österreich“-Chef Wolfgang Fellner erklärte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) am 10. Dezember 2020: „Sie kennen das Geschäft ja. Fürs Inserat gibt’s ein Gegengeschäft (…) Natürlich.“

Wenn’s sauber laufen würde, würde es für ein Inserat, für das bezahlt wird, das Inserat geben. Es würde zum Beispiel in einem Magazin abgedruckt und so gewissermaßen unter die Leute gebracht werden. Das wäre das Geschäft. Punkt, Ende. Aber ein zusätzliches Gegengeschäft? Redaktionen, die ihren Leserinnen und Lesern verpflichtet sind, müssten auf die Barrikaden steigen.

Bemerkenswert ist, dass ausgerechnet in Österreich, wo es eine der höchsten Parteienförderungen weltweit gibt und auch PolitikerInnen passabel bezahlt werden, damit sie unabhängig wie selbstbewusst sein könnten, zahlreiche Parteien und Funktionäre die Notwendigkeit sehen, als VerlegerIn auch noch zusätzlich Geld zu verdienen.

Die Formen sind unterschiedlich, der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, eher ist es der Transparenz. Ein – möglicherweise sehr unvollständiger – Überblick.

Partei als Verlegerin. Das Parteiengesetz definiert „politische Parteien“ umfassend und zählt ausdrücklich auch Teilorganisationen dazu. Wie bei der ÖVP den Wirtschaftsbund. In Vorarlberg betreibt dieser – wie hier ausgeführt – ein eigenes Magazin, dessen Inseratenerlöse in Dimensionen gehen, die mit der Parteienförderung vergleichbar sind. Die Förderung wird ausgewiesen (in diesem Fall 1,15 Millionen Euro), die Inseratenerlöse müssen es nicht werden. Sie fallen mit einem Tarif von maximal 3000 Euro (pro Seite) unter die gesetzlich verankerte Bagatellgrenze von 3500 Euro. In Oberösterreich gibt die Volkspartei die Tageszeitung „Volksblatt“ heraus. Vor einigen Jahren sagte der damalige Landeshauptmann und -parteichef Josef Pühringer in einem Interview ganz offen: „Wer uns unterstützen will, kann im Volksblatt inserieren.“

Beteiligungsunternehmen als Verleger. SPÖ und ÖVP sind – auf unterschiedlichen Ebenen und in unbekanntem Ausmaß – an dutzenden Unternehmen beteiligt. Diese Beteiligungen führt der Rechnungshof in einer eigenen Liste. Bei den Sozialdemokraten sind einige Verlage (z.B. „Trotzdem“) dabei, bei den Schwarz-Türkisen zusätzlich unter anderem eine Radiostation (Life Radio Oberösterreich) und die „Bauernzeitung“, die laut Medientransparenz.at etwa auch Inserate aus der Regierung bekommt – seit Anfang 2020 etwa 112.000 Euro vom Kanzleramt und 178.000 Euro vom Landwirtschaftsministerium.

Parteinahe Vereine als Verleger. In Niederösterreich hat Wolfgang Sobotka einen Verein namens „Alois Mock-Institut“ ins Leben gerufen. Dieser hat ein Magazin herausgegeben, in dem neben Beteiligungsunternehmen des Landes (z.B. Energieversorger EVN) unter anderem auch der Glücksspielkonzern Novomatic inseriert hat. Und zwar um insgesamt 14.000 Euro in den Jahren 2017 bis 2019, wie über den Ibiza-U-Ausschuss bekannt wurde. Später erfuhr die Öffentlichkeit, dass der Konzern – unter anderem auch für Veranstaltungen – alles in allem 109.000 Euro überwies. Seit geraumer Zeit ist kein Magazin mehr erschienen.

Parteifreunde als Verleger. In Wien und in sozialdemokratischem Umfeld hat die Rechercheblattform „Dossier.at“ für Steuerzahler wenig vertrauenserweckende Praktiken aufgedeckt. Wie hier berichtet gibt es etwa Inserate für einen parteinahen Verlag – und zwar für Publikationen, die so selten erscheinen, dass sie von der Veröffentlichungspflicht ausgenommen sind. Das schafft – ob gewollt oder nicht – genau diesen Verdacht: Verschleierung statt Transparenz.

Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinweise, die ergänzende Beispiele und auch andere Parteien oder PolitikerInnen betreffen, werden gerne angenommen.

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