Kern riskiert seine nächste Niederlage

ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende und seine Partei sind zu schwach, als dass sie es sich leisten könnten, groß zu taktieren.

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ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende und seine Partei sind zu schwach, als dass sie es sich leisten könnten, groß zu taktieren.

Irgendwie war die Stimmung in dem SPÖ-„Festzelt“ am Wahlabend schon merkwürdig: Zwar hatte Kanzler und Parteichef Christian Kern schon zwei Tage zuvor an ebendieser Stelle eine Party angekündigt; das war aber wohl eher nur für den Fall gemeint, dass er Platz eins gegen Sebastian Kurz und ÖVP verteidigen würde. Herausgekommen ist eine Niederlage hoch 4: Das ziemlich schlechteste Nationalratswahlergebnis, das die Sozialdemokratie jemals erzielt hat; eine massiv geschwächte Linke; ganz und gar keine Mehrheit für Kerns einstige Wunschkoalition „Rot-Grün-Pink“; und vor allem ein Sieg für die Neue Volkspartei und ihren Superstar.

Warum wurde also trotzdem gefeiert? Eine Erklärung: Man hat mit einem noch viel schlechteren Ergebnis gerechnet. Aus nachvollziehbaren Gründen. Stichwort Umfragen, Stichwort Berichterstattung der einen oder anderen Boulevardzeitung, Stichwort Facebook-Seiten. Dass man unter diesen Umständen nicht auch noch hinter die Freiheitlichen zurückgefallen ist, ist wirklich schon eine kleine Leistung; und das hat denn wohl auch für eine gewisse Erleichterung gesorgt.

Unterm Strich bleibt jedoch das fatale Ergebnis. Und dennoch wirkt insbesondere Christian Kern gelöster als je zuvor: Wenn er da nur nicht wieder Fehleinschätzungen aufsitzt und gar verhängnisvolle Strategiepläne wälzt. Zum einen hat er nämlich schon mehrfach zeigen müssen, dass er seinem „Gegner“ Sebastian Kurz unterlegen ist; und zum anderen kann es für ihn bzw. seine Partei keine Alternative dazu geben, in Opposition zu gehen.

Sebastian Kurz hat sich vor allem deshalb so leicht getan gegen Kern: Im Unterschied zu diesem hat er ein Programm. Und bleibt dabei. 

Sebastian Kurz hat sich vor allem deshalb so leicht getan gegen Kern: Im Unterschied zu diesem hat er ein Programm. Das mag schlicht, rund, toll, verwerflich oder was auch immer sein; er bleibt aber dabei, Flüchtlingsrouten zu schließen, Zuwanderung ins Sozialsystem zu stoppen und so weiter und so fort.

Christian Kern dagegen mag sich darum bemüht haben, ebenfalls einen Plan (den Plan A) zu entwickeln. Äußere Umstände und nicht zuletzt Druck von Kurz und dem Genossen Hans Peter Doskozil haben ihn jedoch immer wieder dazu gebracht, auf deren Vorstellungen abzubiegen. Ein Ergebnis: Das Burkaverbot, über das sich halb Europa zurecht lustig macht; ein Land, in dem die Polizei entscheidet, ab wann es kalt genug ist, dass sich die Bürger das Gesicht verhüllen dürfen, kann nur noch schwer als ein Land bezeichnet werden, in dem ein liberaler Rechtsstaat hochgehalten wird. Sorry.

Doch es ist, wie es ist. SPÖ-Wähler haben abgesehen davon sehr klare Koalitionspräferenzen, wie die SORA-Wahltagsbefragung zeigt: 41 Prozent wünschen sich die Grünen mit in der Regierung (das lässt sich nun natürlich nicht realisieren). 36 Prozent die ÖVP. Und nur zwölf Prozent die FPÖ. Rot-Blau geht in ihren Augen eher gar nicht. Folglich ist jeder Tag, an dem Kern und Co. auch nur einen Zweifel daran lassen, ein Verlust für sie. Zumal die Wahlergebnisse auch zeigen, dass sie, wenn, dann nur Mittel-Links gestärkt wurden. Siehe Städte und darunter wiederum vor allem Wien.

Abgesehen davon müssten Kern und mit ihm noch viel mehr die Gewerkschafter, die es noch am ehesten zu den Freiheitlichen zieht, auch ein bisschen dankbar sein über die klaren Verhältnisse: Die Oppositionsrolle würde es ihnen ermöglich, endlich ein rundes Programm zu definieren; dazu sind sie im Regierungsalltag nicht gekommen. Und die Gewerkschafter könnten unter Schwarz-Blau immerhin einmal zeigen, dass es sie überhaupt noch gibt. 

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