Kein Kanzler Kickl

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ANALYSE. Der FPÖ-Chef tut alles, um heuer nicht Regierungschef zu werden. Er weiß: Auch mit 30 oder 33 Prozent für seine Partei könnte er eher nur scheitern.

Die Ankündigung von Herbert Kickl, sogenannter Volkskanzler werden zu wollen, kann man auch so lesen: Er will mit niemandem koalieren. Natürlich: Andreas Babler schließt eine Zusammenarbeit mit ihm ebenso aus wie Karl Nehammer. Das ist jedoch ein Unterschied. Er verwendet für sich selbst den Begriff Volkskanzler – und das ist nichts anderes als ein autoritärer Führer, der sich anmaßt, zu wissen, was die Leute wollen. Wobei diese Anmaßung dazu dient, seinen Willen zu 100 Prozent durchzusetzen. Und zwar mit Hilfe der übrigen Regierungsmitglieder sowie einer parlamentarischen Mehrheit, die ihm bedingungslos ergeben ist. Er wünscht Gesetz XY? Sie liefert. So funktioniert die Volkskanzlerrepublik.

Einen solchen Gehorsam kann sich Kickl von seinen Parteifreunden erwarten. Das weiß er. Aber von anderen? Undenkbar. Auch das weiß er. Insofern wäre es eine Katastrophe für ihn, Bundespräsident Alexander Van der Bellen würde ihm nach der Nationalratswahl im Herbst einen Regierungsbildungsauftrag erteilen und die ÖVP würde umfallen und sich doch auf eine Regierungszusammenarbeit mit ihm einlassen. So billig könnte sie es gar nicht geben, dass er bekommt, was er braucht, um den Erwartungen seiner Anhänger gerecht zu werden, die er heute landauf, landab schürt.

An erster Stelle steht da eben der Volkskanzler, der allein (!) bestimmt, was recht sei. Frei nach Kickl müsste es im Übrigen Richtung Öxit gehen, würden Grenzen geschlossen werden. Der ORF würde zertrümmert werden. Der Fachkräftemangel würde sich in Luft auflösen und der Wohlstand wieder wie in guten, alten Boomjahren wachsen. Niemand müsste sich noch Sorgen machen.

All das ist nicht zugespitzt formuliert. Kickl vergisst gezielt, sich in wesentlichen Details zu verlieren, um sich ausschließlich Zuspitzungen bedienen und so erwähnte Erwartungen befeuern zu können.

Als Chef einer Partei, die bei der Nationalratswahl 30 oder 33 Prozent erreicht, könnte er ihnen nicht gerecht werden. Er braucht die Absolute, ja eine Zweidrittelmehrheit (Verfassungsänderungen!), um es seinem Vorbild Viktor Orbán gleichtun zu können.

Alternative: Er bekommt einen Koalitionspartner, der sich zu seinen Gunsten aufgibt. Doch so weit ist nicht einmal die krisengebeutelte ÖVP. Genauer: Gerade sie hat noch immer starke Interessenvertreter in ihren Reihen, denen gewisse Dinge wichtig sind; sei es Länder- oder Wirtschaftsvertreter. Diese haben sich zwar auf Sebastian Kurz eingelassen, er aber hat sich mit ihnen abgestimmt. Ein Volkskanzler würde drüberfahren über sie.

Was sich unter diesen Umständen abzeichnet? Für Kickl können 30 oder 33 Prozent für seine Partei nur ein Zwischenziel sein, um danach bis zu einer weiteren Nationalratswahl seine Art von Radikalopposition weiter betreiben zu können. Bis zu einer übernächsten und vielleicht überübernächsten Nationalratswahl. So lange wie möglich bzw. nötig jedenfalls, um einerseits nicht so bald beweisen zu müssen, dass er viele seiner Wähler nur enttäuschen kann und andererseits bessere Rahmenbedingungen für eine Volkskanzlerschaft vorzufinden.

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