ANALYSE. Die Auseinandersetzung um die EU-Wahl im kommenden Jahr kann der Kanzler und ÖVP-Chef aber noch allemal für sich entscheiden.
Der ÖVP-Delegationsleiter im Europaparlament, Othmar Karas, ist mit allen Wassern gewaschen. Legen lässt er sich nicht so schnell. Das hat er dieser Tage bewiesen: Im Hinblick auf die EU-Wahl im kommenden Jahr lief die Meldung, dass er Johannes Hahn als Kommissar beerben werde – womit er elegant weggelobt wäre und als Spitzenkandidat für die Wahlauseinandersetzung wohl eher nicht mehr in Frage käme.
Aus Sicht der türkisen ÖVP wäre das ein nachvollziehbarer Schachzug: Bundesparteiobmann, Kanzler Sebastian Kurz, gilt als „Baumeister der Festung Europa“ (Tagesspiegel). Er steht nicht für mehr, sondern weniger Integration (wenn vielleicht auch vertiefte in verbleibenden Bereichen). Die „Nettozahlerposition“ der Republik ist ihm ein Dorn im Auge etc. Karas trägt das als Abgeordneter nicht nur nicht mit. Er steht vielmehr für die alte, pro-europäische, schwarze ÖVP.
Zu freiheitlichen Umtrieben kann und will er daher so oder so nicht schweigen. Das hat er nach den Berichten über seinen angeblichen Karrieresprung besonders deutlich unterstrichen. Er werde die „Doppelmoral der FPÖ“ aufzeigen, ließ er im „Standard“ wissen; das Agieren der FPÖ stehe zum Teil im Widerspruch zum Regierungsprogramm. Womit er „nebenbei“ dies erreicht hat: Die Freiheitlichen können nicht zulassen, dass er Kommissar wird.
Bleibt er Kurz also picken? Die Sache ist schwierig, aber nicht aussichtslos für diesen. Wo anfangen? Es gibt viele Facetten. Ganz am Anfang steht z.B. diese: Ohne Karas im EU-Wahlkampf ist die ÖVP wohl definitiv nicht mehr die Partei der Europäer in Österreich. Damit könnte sie unter Umständen zwischen die Lager kommen: Gegen Europa ist die FPÖ, für Europa sind die SPÖ und mehr noch die Neos oder auch eine eigene Liste, die Karas anführen könnte.
Andererseits: Karas muss erst einmal eine Liste zusammenbringen.
Andererseits: Karas muss erst einmal eine Liste zusammenbringen. Das sollte man nicht unterschätzen: Letzten Endes kann eine solche nur überleben, wenn sie Teil einer europäischen Parteienfamilie ist. Für Karas ist die Sache also auch nicht „sooo“ einfach.
Und dann wäre noch dies: Kurz könnte es sehr recht sein, die ÖVP könnte ohne Karas in die Wahl ziehen, was auch immer diese Ablöse kostet. Das würde ihm, Kurz, ohne selbst zu kandidieren, die Möglichkeit bieten, die Kampagne zu bestimmen. Motto: „Stärken Sie, wie schon bei der Nationalratswahl, mein Programm nun auch auf europäischer Ebene. Meine Bewegung setzt das auch dort um.“ So etwas könnte durchaus erfolgreich sein: Es gibt wenige Länder, in denen die Volksmeinung über die EU so schlecht ist wie in Österreich. Und gerade in Verbindung mit der Flüchtlingspolitik hat Kurz 2017 schon einmal bewiesen, dass er so etwas besser ausschöpfen kann als die Freiheitlichen, die vielen dann doch zu radikal sind.
>> dieSubstanz.at zur Politik bekommen Sie auch per Mail. Regelmäßig. Gratis >> Zum Newsletter