Im Sprung gehemmt

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ANALYSE. Für das Staatsziel „Leistbares Leben“ nennt die SPÖ ein denkbar schlechtes Vorbild. Umgekehrt erteilt sie Rufen nach einer wirklich großen Veränderung eine Absage.

Auf dem SPÖ-Parteitag in Graz wird wohl auch der Antrag angenommen werden, der klar die Handschrift von Andreas Babler trägt. Es geht um die Verankerung eines Staatszieles „Leistbares Leben in Österreich“. Zitat: „Das bedeutet konkret: Der Staat verpflichtet sich in Zukunft, für Preisstabilität im Hinblick auf Güter, die zur Befriedigung der Grundbedürfnisse dienen, Sorge zu tragen. Als Vorbild für eine solche Zielbestimmung könnte zum Beispiel die Regelung des Artikel 41 der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft dienen.“

Das Vorbild ist denkbar schlecht. Wie schon die Zahl erkennen lässt, handelt es sich in der eidgenössischen Bundesverfassung um einen Artikel unter ferner liefen. Darin heißt es unter anderem zwar, dass „jede Person an der sozialen Sicherheit teilhat“; dem vorweggeschickt wird jedoch, dass das „in Ergänzung zu persönlicher Verantwortung und privater Initiative“ gelte und dass sich Bund und Länder bloß dafür einsetzen würden. Schlimmer. Am Ende steht ausdrücklich, dass daraus „keine unmittelbaren Ansprüche auf staatliche Leistungen abgeleitet werden“ könnten. Es bedeutet als genau nichts Konkretes.

Auf der Seite humanrights.ch wird berichtet, dass bei der entscheidenden parlamentarischen Schlussdebatte vor mehr als 20 Jahren die Frage, ob Sozialrechte oder Sozialziele in der Verfassung verankert werden sollen, nicht einmal mehr gestellt worden sei: „Es ging nurmehr um einzelne Aspekte der Sozialziele, insbesondere um die Betonung der Eigenverantwortung des Individuums und die Hervorhebung der Nicht-Justiziabilität von Sozialzielen.“ Nachsatz: „Schliesslich wurden mit der relativierenden Formel, dass Sozialziele nur im Rahmen der verfügbaren Mittel angestrebt würden, im Art. 41 BV bloss programmatische Sozialziele in die Verfassung aufgenommen.“

Natürlich: Wenn man „Leistbares Leben“ in der Verfassung verankern möchte, signalisiert man ein Bekenntnis zu ebensolchen. Und die SPÖ möchte das ja durch konkrete Gesetze wie jenes gewährleisten, wonach Preise „in den Bereichen Wohnen, Strom, Wärme und Wasser (Grundbedürfnisse)“ um nicht mehr als zwei Prozent pro Jahr steigen sollen. Im Übrigen will sie am bestehenden Pensionssystem festhalten, die Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld erhöhen, die Mindestsicherung wieder einführen und vieles andere mehr. Sprich: Durch ein Bündel an Maßnahmen soll leistbares Leben gesichert werden.

Gleichzeitig ist die SPÖ jedoch dabei, Rufen nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens eine Absage zu erteilen. Das könnte, wenn schon, denn schon, ein großer Wurf sein. Auf dem Parteitag werden gleich drei Anträge dazu vorliegen; je einer von der Landesorganisation Kärnten sowie von den Bezirksorganisationen Innsbruck-Stadt und Wien-Meidling. Der Antrag aus Kärnten sieht monatlich 1400 Euro für Erwachsene und 700 Euro für Kinder vor.

Einer der größten Verfechter eines solchen Grundeinkommens ist der ehemalige Direktor der Katholischen Sozialakademie, Herwig Büchele, der heute 88-jährig zurückgezogen in Innsbruck lebt. Er, mit dem sich Bruno Kreisky schon einmal austauschte und den der ÖGB-Verlag sogar ein Buch zum Thema schreiben ließ, hatte unter anderen dieses Argument dafür: Es würde vielen Leuten Sorgen nehmen und sie frei machen, zu schaffen, was ihnen entspricht. Was naturgemäß auch ein entsprechendes Bewusstsein voraussetzen würde.

Ein Haken ist, dass es viel kosten und weitreichende Veränderungen erfordern würde. Die SPÖ Kärnten geht von einem Drittel der Wirtschaftsleistung aus. Zum Teil könnte das ihren Angaben zufolge dadurch finanziert werden, dass sich gut die Hälfte der bestehenden Transferleistungen erübrigen würde. Übrig bleiben würde dann aber noch immer ein Finanzierungsbedarf von 21 Prozent des BIP (rund 100 Milliarden Euro): „Dieser wird im Modell durch Vermögenssteuer, Finanztransaktionssteuer, vergesellschaftete Erträge z.B. aus Glücksspiel und hauptsächlich durch eine Ökologisierung des Konsumsteuersystems aufgebracht.“ Allein ein Begriff wie „hauptsächlich“ deutet darauf hin, dass das alles nicht sehr konkret ist.

So oder so ist das der SPÖ, ist es Babler, aber ohnehin zu viel: Die drei Anträge für ein Bedingungsloses Grundeinkommen sollen einer Arbeitsgruppe zugewiesen, also vergessen werden. Es ist sogar nachvollziehbar: Mit einem solchen Umbau des Sozialstaates würde man Dinge aufgeben, die einem selbst wichtig sind, vor allem aber für Verunsicherung in weiten Teilen der Gesellschaft sorgen. Da ist es einfacher, an bestehenden Rädchen zu drehen und Wählerinnen und Wählern, die man ansprechen möchte, zu siganlisieren, dass das eine oder andere vielleicht besser, Entscheidendes aber bleiben soll, wie es ist.

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