Höchstgericht mit begrenzter Verantwortung

KOLUMNE VON LIBERO. Warum es der Verfassungsgerichtshof den Freiheitlichen ermöglicht, ihre Manipulationsvorwürfe aufrecht zu erhalten, ist nicht nachvollziehbar. Das blaue Spiel mit dem Feuer kann somit fortgesetzt werden – zum Schaden der Demokratie. 

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KOLUMNE VON LIBERO. Warum es der Verfassungsgerichtshof den Freiheitlichen ermöglicht, ihre Manipulationsvorwürfe aufrecht zu erhalten, ist nicht nachvollziehbar. Das blaue Spiel mit dem Feuer kann somit fortgesetzt werden – zum Schaden der Demokratie.

Der Verfassungsgerichtshof hat gesprochen und fast scheint es, als herrsche einhellig Begeisterung darüber, dass die Präsidentschaftswahl wiederholt werden muss. Wer in der Republik etwas zu sagen hat, ist um Besänftigung und Beschönigung bemüht. Es sei der eindrucksvolle Beweis erbracht worden, dass der Rechtsstaat funktioniere, lautet die durchgängige Argumentation.

Der scheidende Bundespräsident Heinz Fischer verstieg sich gar zum – wie er selbst zugab: etwas schiefen – Vergleich mit dem Weinskandal. Damals sei auch großflächig gepanscht und gepfuscht worden, dann habe es strengere Gesetz gegeben und heute sei alles paletti. Fischers Fazit: Am Ende werde Österreich besser dastehen als zuvor. Na, dann! So heil kann die kleine Welt sein. Ist sie aber nicht.

Das Multibehördenorganversagen wird ausgeklammert und stattdessen das hohe Lied auf Justitia gesungen.

Der Jubel soll lediglich vernebeln, dass hier einiges im Argen liegt. Im Bemühen, nur ja keine Zweifel an der Demokratie aufkommen zu lassen, wird das Multibehördenorganversagen ausgeklammert und stattdessen das hohe Lied auf Justitia gesungen. Das mag redlich gedacht sein, ist jedoch eine unzulässige Abkürzung.

Fragen drängen sich auf: Wer übernimmt die politische Verantwortung für diesen unfassbaren Skandal? Es kann wohl nicht so sein, dass der Schlendrian – vorwiegend in den Bezirksbehörden – ohne Duldung durch übergeordnete Stellen eingerissen ist. In einem Land, in dem die Bürokratie allgegenwärtig ist, in dem sich Beamte kreuz und quer absichern, ehe sie eine Entscheidung treffen, wird wohl nicht ausgerechnet bei der Abwicklung von Wahlen niemand nichts gewusst haben. Oder aber Behörden können tun und lassen, was und wie sie wollen? Das ließe freilich vermuten, dass in anderen Bereichen ebenso willkürlich agiert wird, das Gesetz hingebogen wird, wie es gerade gefällt und irgendwem von Nutzen ist.

Es gibt auch keinen Anlass, in den allgemeinen Jubel über die Entscheidung der Höchstrichter einzustimmen. Sie hätten diese Wahl nicht einfach für obsolet erklären dürfen, sondern hätten differenzieren müssen. Indem sie sich an ihre bisherige Judikatur klammern und für sie alleine die Möglichkeit einer Manipulation entscheidend ist, schaffen sie keineswegs nur Rechtssicherheit, sondern zugleich Rechtsunsicherheit. Es besteht nämlich schlicht die Gefahr, dass in Zukunft jede Wahl wiederholt werden muss, denn irgendwo können und werden immer Fehler passieren. Und das heißt nach der Logik der Verfassungsrichter, dass immer manipuliert hätte werden können – und wiederholt werden muss.

Jedenfalls hätten die Verfassungsrichter eine Neuauszählung aller Stimmen anordnen müssen.

Jedenfalls hätten die Verfassungsrichter eine Neuauszählung aller Stimmen anordnen müssen, um auch zu klären, ob tatsächlich manipuliert wurde oder nicht. Und damit ein für alle Mal klar ist, welchen Bundespräsidenten die Österreicherinnen und Österreicher mehrheitlich haben wollten. Das wäre eine korrekte Basis für eine Neuwahl gewesen. So aber darf alles angezweifelt werden, steht im Raum, dass womöglich auch das Ergebnis des ersten Durchgangs falsch war.

Die FPÖ spielt bereits mit diesem Feuer, wie das ihre Art ist. Zu prüfen, ob es tatsächlich Manipulationen gegeben habe, sei nicht Aufgabe des Gerichtshofes gewesen, sagt ihr wiederbelebter Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer. Das hätten die Freiheitlichen mit ihrer Klage verlangen können. Hofer gibt indirekt zu, dass es ihnen darum genau nicht ging. Sie wollten eine Wiederholung, aber keine Klarheit. Im Trüben lässt es sich eben leichter fischen.

Die FPÖ hat gezielt auf diese Situation hingearbeitet. Sie kannte die Missstände seit langem, weil ihre Funktionäre aktiv daran beteiligt waren. Jetzt sah sie die Chance gekommen, daraus politisches Kapital zu schlagen. Das ist zwar billig und durchschaubar, entspricht aber der erfolgreichen FPÖ-Strategie: „das System“ diskreditieren, Misstrauen schüren, die Menschen verunsichern und schließlich deren Stimmen einsammeln. Behörden, die sich nicht an Gesetze gebunden fühlen, eine Politik, die sich hinter einem Richterspruch versteckt, ein Verfassungsgerichtshof, der nur auf sich bezogen ist und nicht gesamthaft denkt – sie alle sind dabei überaus behilflich.

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