Grundsätze über Bord: Flüchtlingskrise stürzt ÖVP in eine Identitätskrise

ANALYSE. Nationalstaatliche Grenzen seien überwunden, heißt es im Programm der Partei, deren Vertreter nun Grenzsicherung und eine „Festung Europa“ fordern.

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ANALYSE. Nationalstaatliche Grenzen seien überwunden, heißt es im Programm der Partei, deren Vertreter nun Grenzsicherung und eine „Festung Europa“ fordern.

Es ist nicht lange her, dass sich die ÖVP ein neues Grundsatzprogramm gegeben hat; fünf Monate, um genau zu sein. Doch schon hat Parteichef Reinhold Mitterlehner in der ORF-Pressestunde eine „Profilierung“ angekündigt. Bedarf dazu gibt es ganz offensichtlich: Wesentliche Prinzipien werden von maßgeblichen Vertretern der Partei aufgrund der aktuellen Flüchtlingskrise nicht mehr anerkannt und über Bord geworfen.

Österreich, und derzeit vor allem die Steiermark, befindet sich in einem Ausnahmezustand, keine Frage. Dass angesichts Tausender Syrer, Afghanen und Iraker der dortige Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer kritisiert, dass der Staat die Grenzen nicht mehr schütze, verwundert aber doch: Immerhin gehört er der Volkspartei an, die sich zumindest bisher immer zum europäischen Integrationsprozess bekannt hat und die die Vorteile dieser Entwicklung denn auch in ihrem Grundsatzprogramm hervorhebt. Beispiel: „Die europäische Einigung hat nationalstaatliche Grenzen überwunden.“ Sprich: Es gibt sie nicht mehr. Ja, Ziel sei es, „die Staaten Europas zu vereinen“.

Die ÖVP ist tatsächlich gefordert, sich mit ihrem Programm auseinanderzusetzen und es allenfalls zu „profilieren“, wie der Parteichef feststellt: Entweder sind sich Leute wie Schützenhöfer nie bewusst gewesen, was da drinnen steht oder sie haben sich nie damit identifiziert oder sie sehen aufgrund der Flüchtlingskrise, dass es der Praxis nicht standhält. Wie auch immer: In jedem Fall gibt es Handlungsbedarf für Mitterlehner und Co.

Zumal der steirische Landeshauptmann nicht alleine ist. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner spricht von einer Notwendigkeit, eine „Festung Europas“ zu errichten. Und das bedeutet vor allem auch Abschottung. Was in vielerlei Hinsicht ebenfalls dem Parteiprogramm widerspricht. Weltoffenheit wird darin propagiert: „Wir vertrauen vor allem den jungen Menschen, es tolerant, weltoffen und engagiert weiter zu entwickeln“, heißt es da etwa. Oder: „Wir bekennen uns dazu, aus politischen, ethnischen oder religiösen Gründen verfolgten Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren.“

> Zur ÖVP-Seite mit dem Grundsatzprogramm

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