Grüne müssen sich neu erfinden

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ANALYSE. Klimapolitik ist nicht erledigt, sondern jetzt erst recht zu einer sozialen Frage geworden. Ideen dazu? Fehlanzeige.

Rückblickend hatten die Grünen verdammt viel Glück, es im Jänner 2020 zu einer Regierungsbeteiligung gebracht zu haben. Ein paar Monate davor waren sie noch nicht einmal im Nationalrat, ein paar Monate später zog die Pandemie auf. Da war kein Platz mehr für „das Beste“ aus ihrer Welt, das ihr der damalige ÖVP-Chef Sebastian Kurz zwischendurch zugestanden hatte. Zum Beispiel in Form einer CO2-Besteuerung.

Erst im vergangenen Herbst schien sich ein solcher Spielraum wieder aufzutun, wurde die Besteuerung in Verbindung mit einem mehr als ausgleichenden „Klimabonus“ in Aussicht genommen. Stand heute ist jedoch alles wieder anders: Die Einführung der CO2-Besteuerung ist offen, fix ist nur der „Klimabonus“ in doppelter Höhe. Schuld daran ist die Energiekrise.

Sie macht die Grüne Leonore Gewessler zur Klimaschutzministerin außer Dienst. Ihr Job ist eher hilflose Mangelverwaltung in Bezug auf die Gasversorgung. Nur langsam kommt sie über die Feststellung hinaus, dass Österreich aufgrund von Fehlentscheidungen in der Vergangenheit zu 80 Prozent abhängig von Russland sei; was Wladimir Putin kaum beeindrucken wird. Eine kleine Antwort darauf ist nun immerhin, dass für den Fall eines Lieferstopps die Inbetriebnahme eines Kohlekraftwerks in der Steiermark vorbereitet werden soll.

Zwischenbilanz: Im Herbst 2022 könnte in Österreich wieder ein Kohlekraftwerk laufen und es weiterhin keine CO2-Besteuerung, aber einen „Klimabonus“ geben, also eine Zahlung von 500 Euro pro Erwachsenen und 250 Euro pro Kind. Wofür? Zweckentfremdet: Es handelt sich dann ausschließlich um einen undifferenzierten Ausgleich zu allgemein sehr hohen Preisen.

Für die Grünen ist es kein Trost, dass Sprit so oder so derart teuer geworden ist, dass sich mehr und mehr Menschen überlegen müssen, das Auto stehen zu lassen. Würden sie rechts der Mitte stehen, könnten sie sich damit beruhigen, dass Besserverdienende, um nicht zu sagen „Leistungsträger“, kaum davon betroffen sind. Sie stehen jedoch Links der Mitte und da ist das ein verschärftes Problem. Sogenannte Wohlstandsverlierer betreiben ein Stück weit unfreiwillig Klimaschutz: Sie müssen auf Öffis umsteigen, sofern welche vorhanden sind. Sie müssen Energie im Haushalt sparen, weil sie sonst nicht mehr über die Runden kommen. Sie haben vor allem aber auch kein Geld, dies und jenes umzurüsten. Insofern bleibt auch dieser unfreiwillige ein unzureichender Klimaschutz.

Mehr denn je gefragt wären Ansätze, die über Almosenzahlungen hinausgehen. Die Indexierung von Sozialleistungen ist ein Schritt. Allein: Bei der Mindestsicherung liegen die Richtsätze deutlich unter der Armutsgefährdungsschwelle; da sind Betroffene auch nach einer Anpassung arm.

Ehe weitere Hilfen aus dem Hut gezaubert werden, könnte es vielleicht einem Grünen-Zugang entsprechen, zum Beispiel wieder einmal über ein Grundeinkommen für alle zu reden. Im Grunde genommen ist ja auch der Klimabonus nichts anderes, nur dass er halt wirklich in Verbindung mit einer CO2-Bepreisung stehen müsste. Geht mit der ÖVP genauso wenig wie die Einführung einer Erbschaftssteuer, die zurzeit ausschließlich von Sozialminister Johannes Rauch propagiert wird? Wahrscheinlich.

Gerade auch die Grünen befinden sich jedoch in einem sehr schwierigen Übergang: Das mit der ÖVP hat ein Ablaufdatum; und zwar sowohl auf Bundesebene als möglicherweise auch in Tirol und Vorarlberg. Für ein zukunftsweisendes Angebot werden sie daher schon im Vorfeld von Wahlen Konzepte vorlegen müssen. Sonst riskieren sie, mit den Türkisen unterzugehen.

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