ANALYSE. Der FPÖ wird es bei ihrer Erzählung, dass zur Lösung des Teuerungsproblems nur die Sanktionen gegen Russland aufgehoben werden müssten, viel zu einfach gemacht. Allein dadurch kann sie eine relative Mehrheit holen.
Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) ist kein Politiker. Zunächst war er unter anderem Mitarbeiter des ehemaligen Vorarlberger Landeshauptmannes Herbert Sausgruber (ÖVP), dann wurde er vom Landtag in den Bundesrat entsendet und von dort schließlich 2019 unter Sebastian Kurz in die Regierung geholt. Er hat nie um Stimmen rennen und Bürger im direkten Gespräch überzeugen müssen, um zu einem Mandat zu gelangen. Auch parteiintern ist es nie auf seine Rhetorik angekommen.
Das ist ein Problem. Magnus Brunner ist nicht Sebastian Kurz und schon gar nicht Gernot Blümel, der vor ihm Finanzminister war. Das ist gut so. Er ist eher der Typ Sachbearbeiter, der alles in allem einen unauffälligen Job macht. Das ist nicht von vornherein schlecht, aber in einer Hinsicht verhängnisvoll.
Gerade hat der 50-Jährige eine Budgetbilanz gezogen und einen Ausblick gewährt. Demnach will er vorerst keine weiteren Antiteuerungsmaßnahmen mehr setzen, sondern die bisherigen wirken lassen. Auch einem Mietpreisdeckel steht er skeptisch gegenüber.
Es ist nicht so, dass es keine Argumente für derartige Zurückhaltung geben würde. Bisher war – unter Brunners Verantwortung – eher Gießkanne angesagt. Koste es, was es wolle. Es haben auch Leute Geld bekommen, die – zugespitzt formuliert – im Geld schwimmen. Das hat die Teuerung vielleicht sogar zusätzlich befeuert. Im Jänner ist sie jedenfalls überraschenderweise so stark wie noch nie in der jüngeren Vergangenheit gewesen.
Das ist das eine. Das andere: Freiheitliche trommeln mehr und mehr, dass sie den russischen Angriffskrieg in der Ukraine verurteilen, zugleich aber eine Aufhebung der EU-Sanktionen gegen das Land verlangen würden. Begründung von Herbert Kickl und Co: Dann wäre das Teuerungsproblem gelöst.
Man sieht den Sturm schon aufziehen: Auf der einen Seite beginnt die Teuerung in immer größeren Teilen der Gesellschaft schmerzlich zu werden. Sie ist bereits in der Mitte angekommen. Und das wird noch lange nicht das Ende der Fahnenstange sein. Heuer dürfte sie sechseinhalb Prozent betragen, wie die Nationalbank schätzt. Das Verständnis dafür, dass es jetzt keine staatlichen Hilfen mehr geben wird, wird sich unter diesen Umständen in Grenzen halten. Bisher ist selbstverständlich Geld geflossen. Daran haben sich viele gewöhnt. Hier wäre dies nötig: Ein Politiker, der landauf, landab erklärt, was er warum wie anlegt; der Menschen direkt anspricht.
Sonst sind noch mehr anfällig für Kickl. Der Journalist Josef Votzi geht davon aus, dass das sein nächster Schlager wird: ein Teuerungswahnsinn und eine Regierung, die die Leute nicht nur hängen lasse, sondern auch das vermeintliche Übel dulde; nämlich die Sanktionen gegen Russland.
Eine Masse ist nicht geimpft gegen solche Erzählungen. Diesbezüglich hat bei weitem nicht nur Brunner ausgelassen, das wäre vor allem auch ein Job von Außenminister Alexander Schallenberg und Kanzler Karl Nehammer. Sie aber sind kaum mehr Politiker im besten Sinne des Wortes als er, sie schaffen es nicht, mit Worten überzeugend für eine Sache zu werben.
Ein Ergebnis davon ist, dass in Österreich der Zuspruch zu den Sanktionen schon im vergangenen Jahr stark zurückgegangen ist. Als im Herbst in Portugal, Polen und Schweden noch immer über 90 Prozent dafür waren, waren es hierzulande nur noch 64 Prozent.
32 Prozent waren gegen die Sanktionen. Gut zweimal mehr als europaweit. Das hätte schon damals ein Warnsignal und Auftrag sein müssen, eine flächendeckende Kampagne durchzuführen und zu schildern, warum die Maßnahmen gegen Russland wichtig sind; und worum es in diesem Krieg geht. Es ist nicht dazu gekommen.
32 Prozent klingen eh nur nach einem Drittel. Einer wie Kickl sieht das jedoch folgendermaßen: Alle übrigen Parteien bedienen zusammen mehr schlecht als recht die übrigen zwei Drittel. Er hat dieses eine Drittel mit unmissverständlichen Botschaften für sich allein. Die Sanktionen traut sich sonst niemand angreifen. Eher schweigt man dazu. Wie auch immer: Dieses eine Drittel ist groß genug, um mit einem Thema, das unter den Nägeln brennt, bei einer Nationalratswahl allemal zu einer relativen Mehrheit zu kommen.