KOMMENTAR VON GERHARD MARSCHALL. Die Abrechnung der FPÖ mit ihrem ehemaligen Chef ist unglaubwürdig und soll vom Kern des Problems ablenken: Heinz-Christian Strache ist die Partei.
Die Oberen in der FPÖ sind momentan eifrig bemüht, die jüngere Parteigeschichte zu korrigieren und – wieder einmal – ein unrühmliches Kapitel zu tilgen. Herr und Frau Strache sollen verschwinden, weil sie so gar nicht mehr zur Partei des Anstands und der Sauberkeit passen, vor allem aber, um eigenes Versagen vergessen zu machen. Ansonsten müsste die jetzige Führung und mit ihr die gesamte freiheitliche Wählerschaft eingestehen, sich – wieder einmal – gründlich geirrt zu haben.
Heinz-Christian Strache hat als blauer Frontmann einen guten Teil der Zugewinne bei Wahlen eingefahren. Ihm sind sie hinterher gelaufen, haben sie zugejubelt. Ihm haben sie auch all das nachgesehen, worüber sie sich jetzt so sehr empören. Weil er bestens die Krawallpolitik verkörpert hat, welche die FPÖ seit mehr als 30 Jahren betreibt. Und weil er Stimmen, Pfründe und Posten beschert hat.
Strache steht auch für die Dreistigkeit, mit der sich Vertreter der FPÖ – nicht zum ersten Mal – bedienen, sobald sie können. Zuerst die Partei- und dann die Staatskasse – und immer geht es um Steuergeld. Die Machinationen aus der schwarz-blauen Ära sind noch immer gerichtsanhängig und bei weitem nicht gänzlich ausgeleuchtet, da liefert Türkis-Blau die nächste Skandalorgie.
Das hat mit Charakterlosigkeit zu tun, aber auch mit einem historischen Komplex. Die Partei der Ehemaligen hat, weil jahrzehntelang von der Macht ferngehalten, ein besonders ausgeprägtes Bedürfnis, alles das nachzuholen, was nach ihrer Weltsicht die anderen schon immer getan hätten – und was ihnen deshalb nur zustehe. Deshalb mangelt es in weiten Teilen der blauen Anhängerschaft auch an Schuldbewusstsein, wenn etwas auffliegt, es einer der Ihren allzu schlimm treibt.
Auch die Partei hätte Strache wohl weiterhin gewähren lassen. Er musste sich schon selbst politisch killen, und das ist gut für das Land. Er hat das politische und gesellschaftliche Klima in Österreich nachhaltig vergiftet. Nicht so raffiniert wie sein Vorgänger und Vorbild Jörg Haider, dumpfer, zum Teil auf recht primitive Weise, aber nicht weniger erfolgreich. Selbst in seinem kläglichen Scheitern trägt er dazu bei: Nach der hier zu Lande weit verbreiteten Meinung, dass „eh alle so sind“, ramponiert er das Ansehen der Politik insgesamt.
Insofern ist zu befürchten, dass die FPÖ letztendlich sogar von der Causa Strache profitieren wird. Schließlich schafft sie es stets meisterhaft, eigene Skandale abzuschütteln und sich immer wieder zu häuten. Darum ist es notwendig, sie nicht aus der Verantwortung zu entlassen. Freiheitliche sind keinesfalls die besseren Menschen, das beweisen ihre Parteivorderen regelmäßig. Hernach ist stets das gleiche Ritual: Rausschmiss, Abhaken, Vergessen – auf ein Neues!
Und auf Seite der ÖVP wiederholt sich die durchschaubare Methode der Selbstreinwaschung. Erst Wolfgang Schüssel und jetzt Sebastian Kurz wussten selbstverständlich, mit wem sie sich da einließen, wie der blaue Partner tickt, worauf er aus ist, womit er zu ködern und ruhigzustellen ist. Sie haben die Blauen benutzt und gewähren lassen, um eigene Macht abzusichern. Darin liegt die Mitschuld der ÖVP als Wiederholungstäterin.
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