Untereinander

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ANALYSE. Johanna Mikl-Leitner kann ihre „Miteinander“-Kampagne einstampfen – und sich mit der gesamten Volkspartei überlegen, wie sehr diese auch Nicht-Funktionären verpflichtet ist.

Ehe Johanna Mikl-Leitner am 21. April 2016 vom Innenministerium in der Wiener Herrengasse in die niederösterreichische Landespolitik nach St. Pölten übersiedelte, herrschten dort noch ganz andere Sitten. Genauer: Wurden andere Sitten zur Schau gestellt. Beispielsweise jene, die der damalige ÖVP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner pflegte, wenn er politische Mitbewerber in Aussendungen als „Nestbeschmutzer“ und „Parteibonzen“ beschimpfte, die „nichts im Kopf“ hätten. Karner ist heute Innenminister und tut so, als hätten solche Derbheiten halt leider zu seinem früheren Job gehört. Doch das ist eine andere Geschichte.

Angekommen in St. Pölten, machte es Mikl-Leitner wie – ungefähr zeitgleich – Sebastian Kurz auf Bundesebene: Sie versuchte, sich von der Vergangenheit abzusetzen und einen neuen Stil zu inszenieren. Während er „Respekt“ einmahnte, lautet ihre Botschaft „Miteinander Niederösterreich“. Das war sogar ihr Slogan für die Landtagswahl 2018 und unter diesem Titel gibt es noch immer eine Website.

Jetzt, ausgerechnet vor der nächsten Landtagswahl, die in spätestens einem Jahr stattzufinden hat, ist diese Inszenierung gestört. Und zwar durch Mikl-Leitner selbst: Die Tageszeitung „Der Standard“ veröffentlichte eine SMS aus ihrer Zeit als Innenministerin, die von ihr stamme und in der sie sich über Sozialdemokraten folgendermaßen geäußert habe: „Rote bleiben Gsindl!“

Sie spürt heute immerhin, wie sehr das ihre Glaubwürdigkeit beschädigen könnte: Es qualifiziert nicht zur überparteilichen Landesmutter, die für 1,7 Millionen Landesbürger gleichermaßen da sein möchte. Ihre Reaktion ist jedoch lächerlich: Mikl-Leitner erklärt die Wortwahl mit dem tiefen Graben, der sich seinerzeit in der Flüchtlingskrise durch die rot-schwarze Koalition gezogen habe. Das ist besorgniserregend: Würde das auch Ausfälle in der Coronakrise rechtfertigen, in der die Polarisierung nicht kleiner ist? Diskreditiert es eine Innenministerin und spätere Landeshauptfrau nicht, sich derart gehen zu lassen? Sollte sie nicht über den Dingen stehen?

Abgesehen davon schreibt Johanna Mikl-Leitner in einer Aussendung: „Ich möchte mich ausdrücklich bei jeder und jedem einzelnen entschuldigen, die oder der sich von dieser Nachricht aus der Vergangenheit angesprochen und beleidigt fühlt.“ Erstens: Man kann sich nicht selbst entschuldigen, sondern nur um Entschuldigung bitten. Zweitens: Ausschließlich für den Fall, dass sich jemand „beleidigt“ fühlen sollte, tut man es schon gar nicht. Das ist eine dieser „Meinetwegen-entschuldige-ich-mich-halt“-Entschuldigungen, die Jörg Haider geprägt hat. Sie sind nicht aufrichtig. Drittens: Was ist „beleidigt“ überhaupt für eine Kategorie? Es gilt gemeinhin als schwach, mimosenhaft.

In Wirklichkeit geht es hier jedoch um viel mehr: Dem vermeintlichen „Miteinander“ stehen Chats von türkisen Familienmitgliedern entgegen, die mutmaßlichen Postenschacher dokumentieren. Ob im Interesse der Partei oder einzelner Wichtigtuer, tut hier nichts zur Sache. Das „Miteinander“ reduziert sich auf einen kleinen Kreis, dem eine große Mehrheit der Menschen, die in Österreich leben, nicht angehört; die daher bei diversen Ausschreibungen befürchten müssen, benachteiligt zu werden.

Diesbezüglich hat gerade auch Johanna Mikl-Leitner Erklärungs- wie Handlungsbedarf. Als ehemalige Innenministerin und nunmehrige Landeshauptfrau, aber auch als Vorstandsmitglied und de facto mächtigste Funktionärin einer Bundes-ÖVP, die ja wohl nicht die Absicht haben kann, einfach so weiterzumachen als wäre nichts geschehen. Schon allein im Hinblick auf kommende Wahlen, für die sie ohnehin schon Verluste zu befürchten muss.

*Die Erstfassung dieses Textes trug den Titel „Gegeneinander“. „Untereinander“ erscheint treffender.

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