ANALYSE. Nach Sozialdemokraten und Freiheitlichen versucht Sebastian Kurz gerade, die Grünen zu erdrücken. Die Erfolgsaussichten sind beträchtlich.
Jeden Tag kommt’s noch dicker. Nach den nun auch vom „Kurier“ bestätigten Angriffen von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) reagiert ebendieser nicht einmal peinlich berührt, sondern legt nach: Er beruft ausdrücklich eine Runden Tisch zur Causa WKStA ein. Sprich: Er kriminalisiert die Ermittlungsbehörde, die unter anderem auch gegen seinen Parteifreunde Hartwig Löger und Josef Pröll in der Casinos Affäre vorgeht und unterstreicht damit, dass es Handlungsbedarf in seinem Sinne gebe.
Das nennt man Chuzpe. Das ist das eine. Das andere: Mit seinem Manöver übernimmt er quasi einen Aufgabenbereich der grünen Justizministerin Alma Zadic. Soll heißen: Kurz erspart sich eine Art Richtlinienkompetenz, um ihr anweisen zu müssen, was sie seiner Meinung nach zu tun hat; er kümmert sich einfach selbst darum. Wobei er immerhin einen gnadenvollen Akt setzt: Zadic darf am „Runden Tisch“ teilnehmen.
Der „Kurier“ hat die vom Kanzler getätigten Aussagen, die der „Falter“ in einem Leitartikel aufdeckte, indes bestätigt. Wörtlich heißt es in der Tageszeitung: „Kurz hat in einem Hintergrundgespräch kürzlich die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft kritisiert. Er unterstellte ihr anhand einiger Beispiele eine parteipolitische Schlagseite zugunsten der SPÖ. Es ging dabei um Ermittlungen gegen ÖVP-Exponenten wie Hartwig Löger, aber nicht nur. Auch dass die Causa Chorherr zwei Wochen vor der letzten Nationalratswahl noch einmal „angetaucht“ wurde, spielte eine Rolle.“
„Stimmt ja wirklich“, mag der eine oder andere jetzt vielleicht einwenden. Und mit den elend langen Verfahrensdauern (siehe Causa BUWOG) ist das auch so eine Sache. Immerhin hat aber schon Übergangsminister Justizminister Clemens Jabloner darauf hingewiesen, dass die Justiz ausgehungert werde und einen stillen Tod erleide. Das ist hochbrisant. Ein Kanzler, der nun eben parteipolitisch motiviert gleich einmal persönlich reinfährt, ist da fehl am Platz. Das sollte grundsätzlich undenkbar sein. Wie man meinen würde.
Doch zurück zu den Grünen: Sie werden in dieser Frage einmal mehr abgeräumt. Wenn diese Koalition „das Beste aus beiden Welten“ gewesen sein soll und die Grünen daher unter anderem den Teil Justiz erhalten haben, dann vermittelt Kurz nun, dass ihr Beitrag unzulänglich ist.
Das muss man sich einmal vorstellen: Diese Koalition ist erst ein Monat jung und Sebastian Kurz versucht bei den Grünen ziemlich offen, was er bei Sozialdemokraten und Freiheitlichen bereits mit Erfolg praktiziert hart; er erdrückt einen „Partner“ nach dem anderen, wobei zuletzt natürlich auch Heinz-Christian Strache so freundlich war, durch Ibiza behilflich zu sein.
Die Erfolgsaussichten bei den Grünen sind nicht schlecht für Sebastian Kurz: Sie sitzen im Boot und können es nicht verlassen. Im Boot betreiben sie wiederum Selbstaufgabe, dass einem Hören und Sehen vergeht. Auf die Frage, „Kopftuchverbot, Sicherungshaft – wo ist die rote Linie für die Grünen?“ wurde der oö. Landeschef Stefan Kaineder im „Standard“ vom 3. Februar mit folgenden Worten zitiert: „Rote Linie, Bünde, Lager – mit diesem Denken kann ich und kann meine Politikergeneration nichts anfangen. Es gibt ein 300-Seiten-Regierungsrogramm. Und da ist alles klar definiert.“ Siehe Justiz? Heute, am 6. Februar, würde sich Kaineder vielleicht ein bisschen anders äußern. Wer weiß.
Das Problem der Grünen ist, dass sie das Spiel des Kanzlers selbst kaum übernehmen können; das sind nicht ihre Methoden. Und dass sie andererseits aber nicht sagen können: „Schluss!“ Das würde voraussetzen, dass sie im äußersten Fall die Koalition verlassen würden. Und das wiederum würde nach so kurzer Zeit wohl weniger gut ausgehen für sie.
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