Ein drittes Leben für Peter Pilz

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ANALYSE. Die Oppositionsflanke ist unterbesetzt. Sozialdemokraten sind abgemeldet, Freiheitliche und Grüne neutralisiert.

Zurecht hat sich Peter Pilz nach der Nationalratswahl schon auf den Weg zu einem Leben außerhalb der Politik gemacht. Seit er nach Belästigungsvorwürfen im Jahr 2017 zunächst zurückgetreten, sich dann aber zulasten ehemaliger Mitstreiter doch wieder zurückgekämpft hatte, war er bei den Wählern unten durch. Siehe die 1,9 Prozent beim Urnengang vom 29. September für seine Liste.

Der 65-Jährige bekommt jedoch eine zweite oder besser gesagt dritte Chance auf ein Leben in der Politik: Affären, von BVT über Ibiza bis Casinos, machen zum einen deutlich, wie wichtig eine handlungsfähige Opposition wäre und zum anderen wie schlecht es darum bestellt ist.

Ein Überblick: Die ÖVP ist Regierungspartei. Auf Bundesebene ist sie das genau genommen seit 1986 durchgehend. Seit einer Zeit also, als die DDR noch existierte und Perestroika in der damaligen UdSSR noch nicht bekannt war. Rein demokratiepolitisch gesehen ist das nicht gut. Da wird man im Laufe der Zeit automatisch zu mächtig. Zum Beispiel, wenn man das Innenministerium führt, wie es die ÖVP nach der SPÖ seit 2000 getan hat, um es 2017 der FPÖ zu übergeben: „Übergangs“-Innenministerium Wolfgang Peschorn hat eigenen Angaben zufolge nicht zufällig so „viele Netzwerke“ im Ressort „entdeckt – schwarze, blaue, vielleicht auch andere“.

Doch die ÖVP wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit weiterhin in der Regierung vertreten sein. Also zur Opposition. Und zwar der Größe in Mandaten nach: Die Sozialdemokratie kann und will keine Opposition machen (wie hier bereits ausgeführt). Die Freiheitlichen können und wollen das aus ganz anderen Gründen nicht tun: Norbert Hofer und Co. knien geradezu vor Sebastian Kurz, um ihn händeringend zu bitten, sie trotz allem doch wieder in die Regierung zu holen. Im Übrigen müssten sie ja zu einem guten Teil gegen sich selbst Opposition machen: Die Casinos- ist schließlich zu einem wesentlichen Teil eine FPÖ-Affäre.

Die Grünen sind neutralisiert: Wegen der Koalitionsverhandlungen dürfen sie der ÖVP ausgerechnet in diesen Tagen nicht auf die Zehen steigen, sondern müssen ihr viel eher brav auf dem Schoß sitzen. Gut, das ist jetzt vielleicht ein bisschen übertrieben: Wehtun dürfen sie Kurz und Co. jedenfalls nicht, sonst würden sie diesen für den Fall des Falles einen glaubwürdigen Grund liefern, keine Partnerschaft eingehen zu können; die nötige Vertrauensbasis wäre dann nämlich ganz offensichtlich nicht vorhanden.

Bleiben die Neos: Wie schon nach der Nationalratswahl 2017 sind sie die einzige Oppositionspartei. Was insofern bemerkenswert ist, als sie ihren Selbstverständlich sowie der Erwartungshaltung ihrer Wähler nach de facto ausschließlich eine gestaltende Regierungspartei wären. Opposition müssen sie so gesehen machen, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt.

Die Neos sind jedoch klein und können die gesamte Oppositionsflanke bei weiten nicht allein besetzen. Womit wir bei der – verdienten oder unverdienten – x-ten Chance für Peter Pilz angelangt wären. Er wittert sie: Da draußen, in staatlichen und staatsnahen Betrieben, in Ämtern und Ministerien, ist so vieles im Argen, dass es – wie immer man zu ihm persönlich steht und seine Methoden beurteilt – gar nicht genug lästige Oppositionspolitiker geben kann.

Der 65-Jährige ahnt das, wie gesagt: Über seiner Website hat er bereits bekanntgemacht, dass FPÖ-Chef Norbert Hofer über den Postenschacher bei den Casinos informiert worden ist. Und über diese Plattform will er nun noch mehr liefern, sie wohl oder übel also selbst als Sprungbrett zurück in die Politik nützen.

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